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JAMMERN IST KEINE OPTION

Bei herrlicher Frühlingssonne saß ich letztes Wochenende im Straßencafé und hörte zufällig, wie sich zwei Frauen am Nebentisch unterhalten – die eine ist nur am Jammern. Ich frage mich, ob es wohl irgendetwas gibt, mit dem sie je zufrieden ist?

Eigentlich ein unbedeutender Austausch, der mich dann aber doch ins Nachdenken darüber brachte, wie unterschiedlich Menschen ihre Lebenssituation empfinden und bewerten. Und wie manchmal gerade diejenigen, denen es richtig gut geht, am lautesten jammern über die Ungerechtigkeiten dieser Welt, während andere, die tatsächlich kein einfaches Leben haben, dennoch eine innere Zufriedenheit ausstrahlen.

Jammern tut gut – wirklich?

Vielleicht denken Sie jetzt, dass es manchmal hilft, wenn man über seine Gedanken und Gefühle mit einem anderen Menschen sprechen kann, und dass es gut tut, wenn man jemanden hat, der zuhört. Da stimme ich Ihnen zu. Doch das nenne ich nicht Jammern. 

Echtes Jammern ist wie eine gedankliche Endlosschleife. Es dreht sich im Kreis und findet kein wirkliches Ende, denn es hat nicht gar das Ziel ein Ende zu finden. Es ist Ausdruck einer seltsamen Lust am unzufrieden Sein oder – anders herum betrachtet – am Nichtzufriedensein wollen. Es ist nie genug und nie gut genug. 

Untersuchungen haben ergeben, dass Menschen in den Wohlstandsgesellschaften im Schnitt deutlich unzufriedener mit ihren Lebensverhältnissen sind als Menschen in ärmeren Ländern. Verstehen Sie mich nicht falsch – ich möchte hier nicht den Zustand der Armut romantisieren. Es geht mir um das „Jammern auf hohem Niveau“, wie Lothar Späth es einmal zurecht genannt hat.

Wenn ich alles schlecht rede und dauernd an das denke, was andere haben, ich aber nicht habe, dann geht es mir letztlich irgendwann auch schlecht – nicht materiell, aber geistig. Denn diese Lebenseinstellung verbreitet negative Energie, macht krank und ändert nichts an der Situation, führt nicht zu einer positiven Entwicklung oder Lösung. Jammern hilft nicht. Das Einzige, was hilft, ist  es zu ändern – und seien die ersten Schritte auch noch so klein.

Die gefährliche Frage nach dem „Warum“

Und wenn man eine Situation nicht ändern kann? Wenn eine Naturkatastrophe die Lebensgrundlage zerstört oder der unerwartet plötzliche Tod eines geliebten Menschen die Welt ins Wanken bringt? Natürlich kann ich verstehen, wenn Menschen in einer solchen Situation auch jammern, weil sie erkennen, dass sie dieses „Schicksal“ nicht ändern können. Den Schmerz, die Trauer und auch die Wut über die eigene Ohnmacht in einer solchen Situation kenne ich aus eigener Erfahrung nur zu gut. 

Und doch habe ich die eine Frage, die mich ins Jammern hätte führen können, nie gestellt und das ist die Frage nach dem „Warum“. Warum musste OUBEY so jung sterben? Diese Frage führt ins Nichts, denn auf sie gibt es keine Antwort – jedenfalls nicht in dieser Welt. Wir können unser Leben in vielerlei Hinsicht sehr wohl beeinflussen und gestalten, aber manche Dinge haben wir einfach nicht in der Hand. Das akzeptieren zu können hilft. Wir haben die Unwägbarkeiten des Lebens nicht verstanden, wenn wir davon ausgehen, dass wir von Schicksalsschlägen verschont bleiben, während andere davon getroffen werden. Das ist nicht selbstverständlich. 

Deshalb sollten wir dankbar sein für die guten Erfahrungen und die schönen Zeiten, die wir schon erlebt haben und immer noch erleben dürfen. Wer dankbar ist, der kennt kein Jammern.

Die Wahrnehmungsfalle

Wer jammert, befindet sich in einer Wahrnehmungsfalle: Man sieht gar nicht mehr die guten Dinge, nur die schlechten. Und wenn man immer nur über die schlechten Dinge redet, gibt es einen verstärkenden  Rückkopplungseffekt – sie erscheinen immer noch schlechter. Das Jammern lebt also vom Jammern. Aber es ist eine Beschwerde ohne Adressaten, es richtet sich an niemand Konkreten. Es ist eine Form, Verantwortung abzugeben. Wer laut jammert, bekommt Aufmerksamkeit, muss aber nichts ändern. Manche wollen das vermutlich auch gar nicht. 

Es ist wie es ist

Ich halte mich an die Menschen, die zuerst einmal die Realitäten anerkennen so wie sie sind, ohne darüber zu jammern. Das bedeutet ja keineswegs, sich mit allem abzufinden – im Gegenteil: Es ist wie es ist bedeutet nicht, dass es so bleibt wie es ist. Für mich ist das lediglich eine Ausgangsbasis, von der aus ich sehen und überlegen kann, was ich aus dem Hier und Heute machen kann, wie es sich entwickeln und verändern lässt. So entstehen neue Möglichkeiten, das Leben bleibt interessant und spannend.

Solange wir leben, können wir immer etwas ändern – und sei es das eigene Verhalten. Es gibt die unglaublichsten Geschichten über Menschen, die aus scheinbar ausweglosen Situationen wieder herausgefunden haben und ein gutes Beispiel dafür sein können, was möglich ist, wenn man nicht jammert, obwohl das Leben einen an die eigenen Grenzen bringt. 

So versuche ich zu leben. Und das wünsche ich Ihnen – und der Dame am Nebentisch – auch.

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