Thoughts & Insights

Künstler sind wie Wolken

Wieso wird ein Mensch Künstler? Was treibt ihn oder sie dazu an, aus sich selbst heraus etwas schaffen zu wollen oder gar zu müssen, was Kunst genannt wird? Und wie hält man diese Existenzform, denn das ist sie, aus? Was unterscheidet Künstler – neben ihrer besonderen Begabung - von all den vielen anderen Menschen, die sich zwar für die Kunst begeistern, aber in einer anderen Welt leben als diejenigen, die diese Kunst erschaffen?

Das Interesse an einer Antwort auf diese Fragen ist nicht neu. Es hat Vermutungen über den Zusammenhang von Wahnsinn und Genie, von Schmerz und Schönheit hervorgebracht. Tagebücher und Briefe, wie wir sie zum Beispiel von Mozart und van Gogh kennen, können uns authentische Hinweise geben. Häufiger kommen die Auskünfte aber posthum von anderen, die den Künstler kannten – seien es Freunde oder Nachkommen. Manche Biographen vertiefen sich so sehr in die Lebensgeschichte eines Künstlers hinein, dass man meinen könnte, sie hätten ihn gekannt. Mit großer Empathie ist eine Annäherung möglich. Doch mehr auch nicht. Denn wer versteht je einen anderen Menschen wirklich? Und gar einen Künstler?

 

Zumal das, was für den einen Künstler gilt, auf einen anderen keineswegs zutreffen muss. Manche wurden von frühester Kindheit an konsequent gefördert und sogar gefordert, während andere mit nahezu allen Mitteln daran gehindert wurden, ihre Begabung zu entfalten, weil die Eltern andere Pläne und Erwartungen hatten. Sie mussten sich gegen mächtige Widerstände behaupten und durchsetzen. Wer das übersteht, befreit sich von der Abhängigkeit, dem Urteil anderer gefallen zu müssen. Das unbeugsame Streben nach Freiheit ist vermutlich eine der wesentlichen Eigenschaften, die den meisten Künstlern gemeinsam ist.

 

Nun versucht die Hirnforschung herauszufinden, ob und wenn ja inwieweit sich das Gehirn eines Künstlers von den Gehirnen anderer Menschen, die keine Künstler sind, unterscheidet. Ein Versuch, dem auf die Spur zu kommen, was einen Künstler zu dem macht oder gemacht hat, was er ist. Ein Versuch, der über die Kunst hinaus auch den Künstler erklären und verstehen will und womöglich sogar das Künstler-Sein als solches. Ob der Weg über die vergleichende Gehirnforschung zu Erkenntnissen führt, die uns im Verständnis von Künstlern wirklich weiterbringen? Ich bezweifle das.

 

„Alle versuchen die Kunst zu verstehen. Warum versucht niemand, den Gesang eines Vogels zu verstehen?“ soll Picasso einmal gesagt haben. Ein Statement, das keiner Erklärung bedarf, weil es für sich selbst spricht. Es lässt sich ebenso gut auf den Künstler wie auf die Kunst anwenden. Andere Künstler ziehen sich ganz aus der Öffentlichkeit zurück, um in Ruhe dem nachgehen zu können, was ihnen am wichtigsten ist und was sie als Person in ihrer ganzen Existenz ausmacht. Sie geben selten Interviews und wenn doch, dann sprechen sie nicht über sich selbst.

 

Umso erstaunlicher, dass Richard Tuttle , bekannt geworden durch seine subtile minimalistische Kunst, vor einiger Zeit im Louisiana Channel über sich, seine persönliche Lebensgeschichte und die Bedeutung der Kunst für ihn selbst und für die Gesellschaft spricht – eine Rarität, ebenso authentisch wie interessant und auf jeden Fall sehenswert. Für ihn sind Künstler so etwas wie eine Naturerscheinung, wie eine Wolke, die am Himmel auftaucht: „Artists, they´re from nature. They come out of nature. They´re like a cloud that happens“.

 

Ein Vergleich, der es aus meiner Sicht sehr gut trifft. Auch wenn wir die Naturphänomene ebenfalls wissenschaftlich erforschen und erklären, bleiben sie doch natürliche Phänomene. Sie geschehen einfach, sie tauchen auf, sind da – unkontrollierbar und ohne irgendeines Menschen Zutun. Am Ende bleiben Kunst und Künstler ein Phänomen, ein Wunder, und manchmal auch ein Rätsel. Das ist gut so. Es schafft den nötigen Respekt. Was der Nachwelt von ihnen bleibt, sind ihre Werke, die uns inspirieren und erfreuen und uns geben, was wir brauchen – ohne dass wir es unbedingt verstehen oder erklären müssten. So ist das auch mit OUBEY und seinem Werk. Deshalb folgt die Arbeit des MINDKISS Projekts genau dieser Spur.

 

 

 

 

 

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