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WENN DER KUNSTBETRIEB SICH ÜBER DEN KUNSTBETRIEB AUFREGT

Dass der Kunstbetrieb sich weniger um Kunst als um sich selbst dreht und zur Profilierungsplattform für Insider geworden ist, das ist nichts Neues. Dachte ich zumindest. Umso mehr wunderte ich mich, als ich vor kurzem einen Beitrag im Monopol Magazin über die Biennale in Venedig las, in dem der `Tod der Kunst in Venedig´ festgestellt wird. Da kann ich nur müde lächeln. Und fragen: Wo eigentlich ist der Raum, in dem Kunst in diesen Tagen überhaupt lebendig sein darf?

Der Beitrag im Monopol Magazin basiert auf der ernüchternden Erfahrung des Autors Oliver Koerner von Gustorf auf der diesjährigen Biennale. Doch er bezieht sich im Grunde auf den gesamten kommerzialisierten Kunstbetrieb der heutigen Zeit. 

Dekadent und selbstbezogen

Er beschreibt und kritisiert das System, die ausgestellte Kunst wie auch die Kunstmacher, Manager und potentiellen Käufer. Nichtssagende Kunst, die so tut als sei sie bedeutsam, vor allem aber teuer verkauft werden will. Und wenn schon nicht verkaufbar, dann aber doch im Sinne erfolgreichen Marketings für den Künstler und seinen Galeristen wenigstens spektakulär und aufsehenerregend. Passend dazu die Gepflogenheiten und Attitüden der Akteure des etablierten Kunstbetriebs. 

Sie treffen sich aus Anlass mehr oder weniger bedeutender Events, tauschen Visitenkarten aus und fühlen sich wichtig. Die Biennale nur noch eine Bühne für pseudointellektuelle Selbstpräsentation. Die Kunstszene eine in sich geschlossene Gesellschaft.  Exklusiv zelebrierte Dekadenz.. 

Daran ist viel Wahres, doch wenig Neues. Denn seit mehr als dreißig Jahren ist diese Entwicklung bereits im Gange und für jedes kritische Auge, das sich nicht bezirzen und verführen lässt, auch klar erkennbar. Genau aus der Erkenntnis dieser Mechanismen heraus beschloss OUBEY im Jahr 1992 nach seiner ersten, sehr erfolgreichen Verkaufsausstellung, diesem System den Rücken zu kehren. Eine sehr gute Entscheidung.

Eine exklusive Aura

Das ganze System in seiner jetzigen Form ist interessant nur für seine Insider, d.h. für die, die an ihm und in ihm verdienen. Ich kann dem Verfasser des nur zustimmen, wenn er schreibt: „In der etablierten Kunstwelt gelten dieselben Regeln für die Menschen wie für die Ware Kunst. Sie müssen in irgendeiner Weise eine exklusive Aura haben, sonst funktioniert das System nicht.“ 

Genauso recht hat die Monopol-Chefredakteurin Elke Buhr, wenn sie schreibt: „Moderne Kunst ist eben das, was das Kunstsystem als Kunst ausstellt. Was kein Label hat, nicht in irgendeiner Galerie steht, nicht Teil einer Ausstellung ist, keine Signatur eines anerkannten Künstlers hat, gilt nicht als Kunst.“

Interessant und in gewisser Weise paradox dabei ist, dass ein Magazin wie Monopol ja selbst Teil dieses Betriebs ist, den es da so heftig kritisiert. Deshalb die Frage: Gehört zu dieser Erkenntnis auch Selbsterkenntnis? Und wenn ja, welche Konsequenzen ergeben sich daraus? Oder bleibt es bei der einstimmigen Kritik der Szene, und nachdem sich alle gegenseitig bestätigt haben, wie furchtbar dieser Kunstbetrieb doch ist, macht man dann so weiter wie bisher?

Banksy undercover

Ich vermute eher Letzteres. 

Der Kunstbetrieb macht genau das, was ihm wirtschaftlich nützt. Dagegen ist nichts einzuwenden. Doch so ganz nebenbei entscheidet er darüber was wichtige, bedeutsame Kunst ist und was nicht. Was nicht teuer verkaufbar ist, ist uninteressant und damit unbedeutend. 

Ein solches System müsste sich ja selbst zerstören, um anzuerkennen, dass die lebendige Kunst schon längst außerhalb der „Heiligen Hallen“ des etablierten Kunstbetriebs stattfindet. Manchmal sogar direkt nebenan. So auch bei der diesjährigen Biennale. 

Denn Banksy, der größte Street-Art-Künstler unserer Zeit, ließ sich die Gelegenheit der Biennale für eine nächste Aktion nicht entgehen. Er baute an einem der Kanäle unerkannt einen eigenen Stand auf, und tatsächlich realisierte keiner der Kunstexperten, dass Banksy da war. Das sagt mehr als tausend Worte und offenbart die Blindheit für das, was sich an lebendiger Kunst außerhalb des Betriebs abspielt. Allzu gerne würde man sich ja auch noch diesen widerspenstigen Banksy einverleiben, der sich teuer verkaufen ließe, doch der lässt das – soweit er es beeinflussen kann – nicht zu. Er lässt sich seinen Erfolg nicht abkaufen. Am System vorbei und dabei dessen perfide Mechanismen zugleich intelligent nutzend, hat er auf eigenen Wegen Prominenz erlangt.

Es gibt viele, die ähnlich spannende Kunst machen oder gemacht haben wie Banksy. Sie sind nicht weltberühmt wie er. Darum geht es aber auch gar nicht. Es geht darum, dort wo Menschen leben, die Kunst mit ihrem Leben in Verbindung zu bringen, sie zu inspirieren, sie zum Denken oder Handeln anzuregen, oder ihnen auch einfach  nur Freude zu bereiten. Genau diese Freude an der Kunst sollte man sich durch nichts verderben lassen –schon gar nicht durch eine Biennale in Venedig. Finde ich. Und was meinen Sie?

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