Blog

STÄRKE IST EINE FRAGE DER HALTUNG

Das Internet ist zu einer der wichtigsten Informationsquellen für Menschen auf der ganzen Welt geworden. Nachrichten verbreiten sich auf den Plattformen des Social Web mit atemberaubender Geschwindigkeit. Ein Klick genügt, um einer anderen Meinung zuzustimmen oder eine Information an andere weiterzugeben. Das Tempo, in dem diese Entscheidungen getroffen werden, lässt eine sorgfältige Prüfung meist nicht zu. Allzu oft geht diese Geschwindigkeit auf Kosten von Sorgfalt und Qualität.

Da ich für mein OUBEY MINDKISS Projekt die verschiedenen Plattformen des Social Web selbst nutze, kenne ich die Reaktionsweisen anderer Nutzer und die damit verbundenen Herausforderungen aus eigener Erfahrung. Hier einige persönliche Gedanken.

Rechthaberei vs. Erkenntnisgewinn

Durch die digitale Vernetzung ist es unglaublich leicht geworden, persönliche Meinungen zu verbreiten. Das ist gut, denn so werden auch Menschen gehört, die sonst keine Öffentlichkeit hätten. Und so kann auch jeder Zugang zu Informationen und Meinungen haben, die das eigene Wissen erweitern und neue Erkenntnisse ermöglichen. Das kann aber auch etwas ganz anderes bewirken, indem es einen speziellen menschlichen Zug ins uns verstärkt: den Hang zur Rechthaberei.  

Wie oft wird nur noch dem zugestimmt und das weitergeleitet, was der eigenen Meinung entspricht – ohne je geprüft zu haben, ob diese Meinung in diesem Fall tatsächlich fundiert begründet ist. Im Umkehrschluss werden Informationen oder Meinungen, die nicht ins eigene (Welt)Bild passen, ignoriert oder schlimmstenfalls in einem „shitstorm“ sogar geächtet.

Es fiel Menschen wahrscheinlich schon immer schwer, abweichende Meinungen nicht nur zu tolerieren, sondern womöglich gar als Anregung fürs eigene Denken zu betrachten. Und noch schwerer fiel es uns schon immer, eigene Irrtümer oder Fehler in der Betrachtung oder Bewertung eines Sachverhalts zuzugeben. Irrtümer oder Fehler zuzugeben, wird als Zeichen der Schwäche gesehen.

Sowohl die Geschwindigkeit als auch die Struktur der Kommunikation im Social Web scheint diese menschliche Neigung zur Rechthaberei im Sinne einer permanenten Selbstbestätigung des eigenen Denkens zu fördern – zulasten einer differenzierteren Betrachtung von Sichtweisen, die von der eigenen Meinung abweichen.

Stark sein und den Würfel umdrehen

Wirkliche Dialoge finden zu selten statt. Weil wir uns zu oft zu wenig mit den abweichenden Meinungen anderer auseinandersetzen. Der ideologische Aspekt in der Meinungsbildung spielt dann eine immer stärkere Rolle, denn je weniger ich bereit bin, mich mit den Informationen, die mich erreichen, wirklich kritisch im Sinne einer Diskussion auseinanderzusetzen, umso mehr schwimme ich auf der Welle der Meinungsmacher mit. Bin verführbar durch die scheinbare Richtigkeit der Meinung der Vielen.

Im Dialog hat die Wirklichkeit immer mindestens drei Seiten: Eine, die ich sehe, eine, die Du siehst, und eine Seite, die keiner von uns Beiden sieht. Man kann sie auch mit einem Würfel vergleichen: Niemals sehe ich von meinem Standpunkt aus alle Seiten eines Würfels, der vor mir liegt. Um alle Seiten zu sehen, muss ich ihn umdrehen oder brauche die ergänzende Perspektive anderer Menschen. Das ist stark. Und das bedeutet: Auch zugegeben zu können, dass der eigene Standpunkt nicht der einzig richtige sein muss.

Eine Frage der Haltung

Sich selbst – und anderen gegenüber – eigene Grenzen und Schwächen eingestehen zu können, ist aus meiner Sicht ein Ausdruck von Stärke. Kein Mensch ist unfehlbar. Nur wer auch eigene Irrtümer und Fehler zugeben kann, ist wirklich stark und menschlich zugleich. Ich persönlich bin überzeugt davon, dass wir in diesem Sinne auch die großartigen Möglichkeiten des Social Web ganz anders und viel besser nutzen können. Denn es bietet die Möglichkeit eines konstruktiven Diskurses. Ob diese Möglichkeit genutzt wird, liegt allein am Verhalten eines jeden einzelnen der Millionen Nutzer. 

More

Newsletter