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Wenn der Plan scheitert, ist es Leben
„Leben ist das, was passiert, während du eifrig dabei bist, andere Pläne zu machen.“ Ich liebe dieses Zitat von John Lennon. So, wie viele Menschen es lieben, Pläne zu machen. Ob es nun komplexe Lebenspläne, konkrete Reisepläne oder einfach nur Tagespläne sind - wir Menschen neigen dazu, die Ungewissheit der Zukunft durch einen Plan ausschalten zu wollen. Wenn wir einen Plan haben, fühlen wir uns sicher. Der Haken dabei ist nur: Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt …
Selbst der unspektakuläre Plan, einen Abend in Ruhe mit einem Buch zusammen auf der Couch zu verbringen, kann dahin sein, wenn plötzlich jemand vor der Tür steht oder anruft und meine Aufmerksamkeit fordert. Das Leben lässt sich nicht planen! Wozu also Pläne machen?
Lebenszeit ist wertvoll
Nun haben Sie vielleicht den Einwand, dass es wichtig ist, nicht planlos in den Tag hinein zu leben, denn Zeit ist kostbar und sollte nicht verschwendet werden. Das sehe ich genauso. Deshalb finde auch ich es gut und wichtig, sich Gedanken darüber zu machen, wie man seine Zeit nutzen und womit man sie verbringen will. Dazu gehört manchmal auch das Planen. Allerdings sollte man dabei nie vergessen, dass es ein Wesensmerkmal der Zukunft ist, dass sie nicht wirklich vorhersehbar und deshalb auch nicht wirklich planbar ist. Niemand weiß, was in der nächsten Stunde oder am nächsten Tag geschehen wird. Immer wieder hält das Leben für uns Überraschungen bereit – wunderbare Glücksfälle ebenso wie harte Schicksalsschläge. Sie können einen aus der Bahn werfen, aber als Herausforderung auch unverhofft neue Möglichkeiten aufzeigen.
Das Leben ist stärker als jeder Plan
In meinem Leben gab es von Kindesbeinen an jede Menge positiver und negativer Überraschungen, aus denen ich lernen konnte, dass solche eben zum Leben gehören. Besonders bewegend war es für mich, als Kind mitzuerleben, wie sich durch den Bau der Berliner Mauer und die Errichtung der Todesstreifen an den Grenzen zwischen Ost- und Westdeutschland von einem Tag auf den anderen für Millionen von Menschen das Leben existenziell veränderte.
In Berlin entschieden sich damals Menschen von einer Minute auf die andere, mit nichts außer dem was sie am Leib trugen aus einem Fenster im 3. Stock in ein Sprungtuch und damit in ein unbekanntes neues Leben im Westen zu springen. Andere blieben zurück und mussten fortan jahrzehntelang getrennt von ihren Freunden und Verwandten im anderen Teil der Stadt und des Landes leben. Für meinen Vater, der aus Berlin stammte, bedeutete das den Verlust des Elternhauses. Das Haus, das er mit seinen Eltern gemeinsam Jahrzehnte zuvor im Osten der Stadt erbaut hatte, und in dem ich bis dahin jahrelang unvergesslich schöne Sommerwochen mit meiner Großmutter verbracht hatte, war verloren.
YOLO – You only live once
Zu sehen, wie Menschen gewaltsam voneinander getrennt werden und wie ein Land auseinandergerissen wird, war eine schockierende Erfahrung für mich. Was ist überhaupt sicher? Genau diese Frage stellte sich mir schon damals. Wie kann ein Mensch eine dramatische Veränderung dieser Art verarbeiten? Menschen in anderen Ländern und Kontinenten erleben solche Zustände viel öfter als wir und immer und immer wieder, wenn sie in Kriege hineingeraten oder von Naturkatastrophen heimgesucht werden. Extreme Realitäten, die das Leben ohne eigenes Zutun schafft und die durch keinen Plan ausgeschaltet werden können.
Natürlich kann man dieses Bewusstsein nicht permanent im Kopf haben. Dennoch finde ich es wichtig, sich nicht in der vermeintlichen Sicherheit einer planbaren Zukunft zu wiegen, an die wir uns in den letzten Jahrzehnten des Wohlstands und Friedens scheinbar gewöhnt haben. Unsicherheit gehört nunmal zum Leben dazu! Deshalb ist es gut, sich einen persönlichen Kompass zuzulegen, mit dessen Hilfe man sich durch die Wellen der Unvorhersehbarkeiten des Lebens navigieren kann. Denn es ist genau dieses Leben, das wir nur ein einziges Mal leben können.
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