Thoughts & Insights

God Only Knows

Der geniale Filmregisseur Stanley Kubrick war überzeugt davon, dass jeder Mensch einen „Zwilling“ auf dieser Welt hat – vielleicht sogar mehrere. Menschen, die in ihrem Geist und ihrer Seele verwandt und engstens miteinander verbunden sind, selbst wenn sie sich nicht kennen und sich niemals persönlich begegnen. Diese Verbindungen sind geistiger Natur. Deshalb existieren sie nicht nur über geographische, sondern auch über zeitliche Entfernungen beliebiger Distanz hinweg. Ob überhaupt und - wenn ja - wann und wie sich diese Zwillinge entdecken, erkennen oder gar finden entzieht sich jeder Planung. Es geschieht einfach oder es geschieht nicht.

Kubrick war nicht nur einer der Regisseure, die OUBEY am meisten bewunderte. Auch seine Vorstellung von „Zwillingsexistenzen“ hat ihn sehr fasziniert. So lag es nah, dass ich mich irgendwann fragte, ob OUBEY wohl einen Zwilling auf dieser Welt gehabt haben könnte und wenn ja, wer dieser Zwilling wohl wäre. Und es kamen mir immer wieder nur zwei Menschen in den Sinn, interessanterweise sind beide Menschen Musiker. Einer von ihnen ist vor einigen hundert Jahren jung, berühmt und dennoch verarmt gestorben. Der andere ist ein Mensch unserer Zeit, wenngleich er eins seiner ersten Soloalben „I Just Wasn´t Made for These Times“ nannte: Brian Wilson – genialer Klangschöpfer, Komponist, Arrangeur, Musiker, Texter, Mastermind und auch Sänger der Beach Boys. Ihm und der geistigen Verwandtschaft, die ich zwischen OUBEY und ihm sehe, ist dieser heutige Beitrag gewidmet. Mir ist bewusst, wie seltsam, abwegig oder gar vermessen diese Annahme manchem erscheinen mag. Dennoch will ich es tun. Und dies hat seinen Grund.

Ihren Anfang erlebten meine Gedanken vor mehr als fünfundzwanzig Jahren, ausgelöst durch OUBEYs Reaktion auf eine Dokumentation über die Geschichte der Beach Boys, in der die Geschichte von Brian Wilson einen großen Raum einnahm. Dem vorausgegangen war für ihn die späte Entdeckung seiner Musik und ihrer unglaublichen Vielschichtigkeit. Was sich hinter den oberflächlich klingenden „Surf- Dance-Fun“ Titeln verbarg, war eine Offenbarung. OUBEY stieg tief hinein, war begeistert von der Genialität des musikalischen Schaffens von Brian Wilson und er war zutiefst bewegt von dessen persönlicher Lebensgeschichte. Das wohl persönlichste Stück, das Brian Wilson je geschrieben und veröffentlicht hat, trägt den Titel „Til I Die“. Hierfür schrieb er ausnahmsweise auch selbst den Text. Von diesem Stück war OUBEY so ergriffen, dass er ihm eine Zeichnung widmete.

Was Brian Wilson an kosmischen Harmonien in diese Welt gebracht hat, ist fantastisch und unvergleichlich. Komplexität – musikalisch verarbeitet und zum Ausdruck gebracht auf höchstem Niveau. Diese Harmonien können gute Laune und Lust auf Leben machen, aber auch melancholische Stimmungen hervorrufen. Und sie können die Seele küssen und umarmen in den Momenten von Traurigkeit und scheinbarem Verlorensein.

Das „Pet Sounds“ Album aus dem Jahr 1966, das er kompositorisch und instrumentell im Alleingang schuf während die Band ohne ihn mit den alten Titeln auf Tournee war, gehört bis heute zu den Meilensteinen der Pop Musik. Er wollte nicht mit den anderen auf Tour gehen, wollte nicht auf die Bühne. Er wollte das realisieren, was in seinem Kopf entstand und was weit über das hinausging, was Zeitgeist war. Sensationell wie es ihm gelang das, was bis dahin nur in der Innenwelt seines Kopfes existierte und vibrierte, in Musik umzusetzen, die jeder Mensch hören und erleben kann. Manche Titel bestehen aus zwölf musikalischen Tranchen, von denen jede eine eigene Wirkung in den fulminanten Zusammenklang des Songs einbringt, darunter meist mehrere mehrstimmig gesungene Tranchen. Sensationell auch, dass es ihm gelang, den Widerstand, der sich ihm entgegenstellte, zu überwinden, ein Orchester der allerbesten Musiker für dieses Projekt zu begeistern und am Ende sogar auch die von der Tour zurückkehrenden Beach Boys für den Einsatz ihrer gesanglichen Stimmen zu gewinnen – trotz des Misserfolgs, den man diesem Album prophezeite. Und in der Tat war „Pet Sounds“ seinerzeit kein Verkaufserfolg wie die früheren Alben der Beach Boys. Ein ebenso unbeugsam starker wie auch empfindsamer, verletzlicher Mensch. Es war seiner Zeit voraus. Eine Grenzüberschreitung, die ihn nicht nur fast um den Verstand sondern auch fast um sein Leben gebracht hätte. „God Only Knows“ ist eins seiner Meisterwerke auf diesem Album.

Was OUBEY im Alleingang seines künstlerischen Schaffens in seinen vielschichtigen Bildern an kosmischer Komplexität und Harmonie zum Ausdruck gebracht hat, ist dem was Brian Wilson in seinen musikalischen Kompositionen und Arrangements zum Ausdruck gebracht hat, sehr artverwandt. Ein freier Geist, der mehr versteht, sieht und hört in seinem eigenen Kopf als alle anderen und nicht anders kann als dies auf die eigene angemessene Art so gut wie nur irgend möglich zum Ausdruck zu bringen. Immer wieder sprechen Menschen, die OUBEYs Bildern begegnen, von Klangbildern, die sie nicht nur sehen, sondern auch hören können. Vielleicht sind die Beiden wirklich Zwillinge im Sinne der These von Stanley Kubrick?

Vor einem Jahr hatte ich das Glück und die Gelegenheit, Brian Wilson vor seinem Konzert in Frankfurt persönlich zu begegnen und mit ihm ein paar Blicke und Gedanken auszutauschen. Da erkannte ich, dass es hier tatsächlich eine besondere Verbindung gibt – durch mich hindurch bis hin zu OUBEY. Und ich weiß, dass auch Brian Wilson diese Verbindung in diesem Moment erkannte. Das war ein sehr besonderer Moment, für den ich immer noch sehr dankbar bin. Im anschließenden Konzert gelang es ihm und den zehn herausragenden Musikern und Sängern, die ihn begleiteten, live on stage das komplette „Pet Sounds“ Album in ebenso herausragender Qualität zu intonieren wie es seinerzeit mit Hilfe diverser Technik im Studio aufgenommen worden war. Es war ein großartiger Abend.

 

PS: Als es Ende letzten Jahres darum ging, ein komplett neues Konzept für den Internetauftritt des MINDKISS Projekts zu entwickeln, hatte ich einen „Dreiklang“ im Kopf. Um den anderen im Team zu vermitteln, wie ich das Ganze sehe und denke, halfen mir zwei Videos, die den Entstehungsprozess von „Good Vibrations“ dokumentieren, einem Titel, der es zwar knapp verpasst hatte aufs „Pet Sounds“ Album zu kommen, dann aber zu einem Riesenerfolg wurde.

Meine Analogie war folgende: OUBEYs künstlerisches Werk bildet als Basisklang den Kern und Grundrhythmus. Darüber legen sich die filigranen instrumentellen Klänge und Harmonien des MINDKISS Projekts. Und schließlich ertönt nun, nach vielen Jahren, erstmals auch der vielstimmige Klang menschlicher Stimmen, meine eigene Stimme eingeschlossen. Zu meiner großen Freude haben das alle sofort verstanden.

 

Wer den Prozess des Entstehens von „Good Vibrations“ gerne anhand dieser beiden Doku-Videos nachvollziehen möchte – hier sind die Links:

https://www.youtube.com/watch?v=uVlSVkzbJDA

https://www.youtube.com/watch?v=QVwVURYxu8w

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