In seiner Eröffnungsrede nannte er dieses Museum „ein lebendiges Haus, das bewohnt wird und dessen Pforten den Völkern der ganzen Welt offenstehen, ein Ort, an dem sich jeder repräsentiert fühlen kann, weil die Kirche niemanden ausgrenzt, keine Ausnahmen macht.“
Dass die katholische Kirche, die fürs Ausgrenzen seit Jahrhunderten bekannt ist, ein solches Signal sendet, überrascht. Dass sie dies unter ihrem derzeitigen Papst Franziskus tut, der seit Beginn seiner Amtszeit bereits für einige Überraschungen sorgte, verwundert weniger. Als erster Papst nichteuropäischer Herkunft, aus Südamerika stammend, ist ihm die frühe wie auch die heutige Kunst außereuropäischer Kulturen vertraut.
Die frühen Hochkulturen der Mayas, Inkas und Azteken waren der europäischen Kultur über Jahrhunderte hinweg weit voraus. Bis ihre Heimat von den Europäern zunächst entdeckt und dann mit brutaler Gewalt in Besitz genommen wurde, damit einhergehend eine selbstherrliche Missionarisierung, die die ungläubigen Heiden zu vermeintlich besseren Menschen machen sollte.
Dieser Teil der Kirchengeschichte, der zugleich auch ein Teil unserer westeuropäischen Geschichte ist, wurde in unseren Geschichtsbüchern jahrhundertelang als glorreiche Geschichte dargestellt.
Insofern erkenne ich in dem Ansatz von Papst Franziskus eine gewisse Einsicht und vielleicht auch etwas, das man Demut nennen könnte: Die Korrektur einer ebenso überheblichen wie überholten Sichtweise nicht nur der katholischen Kirche, sondern der gesamten westlichen Welt. Ein Zeichen des Respekts gegenüber all den Völkern der Erde, die der Westen im Zuge der Kolonialisierung zum Zweck der wirtschaftlichen Ausbeutung wie auch der Unterwerfung im Namen und Interesse der Kirche als unterentwickelte primitive Völker betrachtete und dementsprechend behandelte. Ein Versuch des Zueinanderfindens in einem „lebendigen Haus“ der Versöhnung also?
Keiner weiß, wo die Seele im Menschen beheimatet ist. Sie ist kein physisches Organ, sondern geistiger Natur. Philosophen von Aristoteles bis Leibniz waren davon überzeugt, dass es sie gibt und dass sie nicht nur dem Menschen, sondern allem was lebt eigen ist. Dieser Überzeugung war auch OUBEY, zumal er sich mit beiden Philosophen intensiv beschäftigt hat.
In seiner Kunst findet diese „Seele der Welt“, die ein Teil seines innersten Wesens war, ihren unmittelbaren Ausdruck. Und da diese Kunst frei ist von allen sprachlichen Grenzen, die uns Menschen oft voneinander trennen, wird sie erlebbar für Menschen unterschiedlichster Kulturen. Diese beglückende Erfahrung konnte ich auf meinen Reisen OUBEYs Bildern rund um den Globus immer wieder machen.
So zum Beispiel als Maori, denen ich in Neuseeland begegnete, beim ersten Anblick von OUBEYs Bildern spontan zu mir sagten: „Diese Bilder beginnen sofort mit Dir zu sprechen, sobald Du sie nur anschaust.“
In Momenten wie diesen wurde offensichtlich, dass OUBEYs Vision von der universalen Sprache seiner Bilder sich bewahrheitet, wenn man sie reisen lässt. Deshalb bin ich bis heute froh, dass ich 2010 erstmals meinen gelben Koffer packte, um mit OUBEYs Werken um die Welt zu reisen. So konnte ich die überwältigende Erfahrung machen, dass seine Kunst eine universale Bedeutung hat. Sie berührt die Menschen in ihrem Inneren, ob sie nun in Uganda oder in Neuseeland leben, ob sie nie zur Schule gegangen oder Wissenschaftler sind.
So fremd Kunst uns im ersten Moment manchmal vielleicht auch erscheinen mag, sie erreicht uns – und das nicht nur im Kopf. Dies gilt für alle Kunst, aber ganz besonders für die Kunst, die ohne Worte auskommt: Musik und Malerei. Und es gilt insbesondere auch für all die Gemälde und Sinfonien, auf die das Publikum seiner Zeit ignorant oder ablehnend reagierte, die inzwischen jedoch längst zum wertvollen Schätzen unseres Lebens wurden.
Kunst ist Ausdruck der „Anima Mundi“ und belebt sie zugleich. Führt sie hinaus – zurück in alte und voran in neue Welten der Erkenntnis und Selbsterkenntnis. So war es in der Frühzeit der Menschheitsgeschichte und so ist es bis heute. Sie kann uns innere Erlebnisse schenken wie es außer ihr nur die Liebe kann. Sie weitet unsere Seele, öffnet unser Herz, kann Barrieren überwinden.
In einer Zeit, in der wir zwar den Fall der Berliner Mauer feiern, zugleich aber ans Errichten neuer Grenzzäune und Mauern denken, ist dieser Gedanke mehr als nur ein weihnachtlicher. Ich höre die Botschaft in der Eröffnungsrede von Papst Franziskus und ich hoffe, sie zeigt Wirkung mit Konsequenz: „Kunst überwindet alle Barrieren“. Und dabei geht es vielleicht zu allererst um die Barrieren, die wir in uns selbst errichtet haben.
Nein. Bereits am Tag danach war für mich klar, dass sein Lebensende für mich den Beginn einer neuen, anderen gemeinsamen Zeit bedeutet. Ich akzeptierte OUBEYs Tod, aber ich akzeptierte nicht, dass sein Tod auch das Ende für seine Kunst bedeuten sollte. Doch wie und durch wen sollte sie weiterleben und wirken? Einen Künstler, den noch niemand kennt, der nicht mehr lebt, dessen Werk erst noch erschlossen werden muss nun posthum ans Licht der Öffentlichkeit zu bringen – ohne die Bilder verkaufen zu wollen: Wer außer mir würde wohl bereit sein, das zu tun? Ich wartete nicht, bis sich vielleicht irgendwann jemand finden würde, der diese Aufgabe übernehmen will, sondern gab mir die Antwort selbst, indem ich mit der Arbeit begann. Auf welchen Weg mich diese ersten Schritte in der Zukunft noch führen würden, ahnte ich nicht einmal.
Im ersten Jahr durchlebte ich ein Wechselbad der Gefühle: Der Schock saß tief. Doch auf Momente von großem Schmerz folgten immer länger werdende Phasen der Freude durch die Beschäftigung mit ihm und seiner Kunst. Und auch mit dem, was wir in unserer gemeinsamen Zeit getan und erlebt hatten. Doch selbst wenn man den Tod eines geliebten Menschen akzeptiert, braucht es viel Zeit und Seelenkraft, bis man tatsächlich begreift, dass dieser Mensch nie wieder durch die Tür treten wird. OUBEY war der Mensch, mit dem ich in der gemeinsamen Zeit, die uns vergönnt war, nahezu jeden Tag meines Lebens verbracht hatte und mit dem ich auf symbiotische Weise verbunden war.
Dass ich nie mit dem Schicksal gehadert habe, nie die Frage stellte, warum er so jung und tragisch sterben musste, hat mir sehr geholfen. Denn diese Frage führt in den dunklen Abgrund des Nichts, weil es auf sie niemals eine Antwort geben wird.
Stattdessen war ich entschlossen, das zu tun, was OUBEY tun wollte, nun aber selbst nicht mehr tun konnte: der Öffentlichkeit die Begegnung mit seiner Kunst zu ermöglichen.
Ich hatte keine Ahnung, wie das gehen könnte, aber ich wusste, dass ich einen Weg finden würde. Ich wusste, dass wir trotz allem eine gemeinsame Zukunft haben würden, zumindest solange ich lebe. Und ich war bereit, alles Notwendige zu tun, um seine Kunst in die Welt zu bringen und Menschen in aller Welt für seine Kunst zu begeistern.
Denn ich war mir sicher, dass die Begegnung mit seiner Kunst für Menschen auf der ganzen Welt ein Erlebnis sein würde, das ihnen Freude und auch manche gute Erkenntnis bringt. Also begann ich, mit den Bildern zu Menschen auf der ganzen Welt zu reisen. Es wurde eine fantastische Entdeckungsreise – für die Menschen, die OUBEYs Bildern begegneten genauso wie für mich selbst. Und sie ist noch nicht zu Ende.
Sehr gerne nehme ich Sie in Gedanken auf meine Reise der besonderen Art mit – in meinem kostenlosen E-Book „MINDKISS. Auf OUBEYS Spuren“.
Der Beitrag im Monopol Magazin basiert auf der ernüchternden Erfahrung des Autors Oliver Koerner von Gustorf auf der diesjährigen Biennale. Doch er bezieht sich im Grunde auf den gesamten kommerzialisierten Kunstbetrieb der heutigen Zeit.
Er beschreibt und kritisiert das System, die ausgestellte Kunst wie auch die Kunstmacher, Manager und potentiellen Käufer. Nichtssagende Kunst, die so tut als sei sie bedeutsam, vor allem aber teuer verkauft werden will. Und wenn schon nicht verkaufbar, dann aber doch im Sinne erfolgreichen Marketings für den Künstler und seinen Galeristen wenigstens spektakulär und aufsehenerregend. Passend dazu die Gepflogenheiten und Attitüden der Akteure des etablierten Kunstbetriebs.
Sie treffen sich aus Anlass mehr oder weniger bedeutender Events, tauschen Visitenkarten aus und fühlen sich wichtig. Die Biennale nur noch eine Bühne für pseudointellektuelle Selbstpräsentation. Die Kunstszene eine in sich geschlossene Gesellschaft. Exklusiv zelebrierte Dekadenz..
Daran ist viel Wahres, doch wenig Neues. Denn seit mehr als dreißig Jahren ist diese Entwicklung bereits im Gange und für jedes kritische Auge, das sich nicht bezirzen und verführen lässt, auch klar erkennbar. Genau aus der Erkenntnis dieser Mechanismen heraus beschloss OUBEY im Jahr 1992 nach seiner ersten, sehr erfolgreichen Verkaufsausstellung, diesem System den Rücken zu kehren. Eine sehr gute Entscheidung.
Das ganze System in seiner jetzigen Form ist interessant nur für seine Insider, d.h. für die, die an ihm und in ihm verdienen. Ich kann dem Verfasser des nur zustimmen, wenn er schreibt: „In der etablierten Kunstwelt gelten dieselben Regeln für die Menschen wie für die Ware Kunst. Sie müssen in irgendeiner Weise eine exklusive Aura haben, sonst funktioniert das System nicht.“
Genauso recht hat die Monopol-Chefredakteurin Elke Buhr, wenn sie schreibt: „Moderne Kunst ist eben das, was das Kunstsystem als Kunst ausstellt. Was kein Label hat, nicht in irgendeiner Galerie steht, nicht Teil einer Ausstellung ist, keine Signatur eines anerkannten Künstlers hat, gilt nicht als Kunst.“
Interessant und in gewisser Weise paradox dabei ist, dass ein Magazin wie Monopol ja selbst Teil dieses Betriebs ist, den es da so heftig kritisiert. Deshalb die Frage: Gehört zu dieser Erkenntnis auch Selbsterkenntnis? Und wenn ja, welche Konsequenzen ergeben sich daraus? Oder bleibt es bei der einstimmigen Kritik der Szene, und nachdem sich alle gegenseitig bestätigt haben, wie furchtbar dieser Kunstbetrieb doch ist, macht man dann so weiter wie bisher?
Ich vermute eher Letzteres.
Der Kunstbetrieb macht genau das, was ihm wirtschaftlich nützt. Dagegen ist nichts einzuwenden. Doch so ganz nebenbei entscheidet er darüber was wichtige, bedeutsame Kunst ist und was nicht. Was nicht teuer verkaufbar ist, ist uninteressant und damit unbedeutend.
Ein solches System müsste sich ja selbst zerstören, um anzuerkennen, dass die lebendige Kunst schon längst außerhalb der „Heiligen Hallen“ des etablierten Kunstbetriebs stattfindet. Manchmal sogar direkt nebenan. So auch bei der diesjährigen Biennale.
Denn Banksy, der größte Street-Art-Künstler unserer Zeit, ließ sich die Gelegenheit der Biennale für eine nächste Aktion nicht entgehen. Er baute an einem der Kanäle unerkannt einen eigenen Stand auf, und tatsächlich realisierte keiner der Kunstexperten, dass Banksy da war. Das sagt mehr als tausend Worte und offenbart die Blindheit für das, was sich an lebendiger Kunst außerhalb des Betriebs abspielt. Allzu gerne würde man sich ja auch noch diesen widerspenstigen Banksy einverleiben, der sich teuer verkaufen ließe, doch der lässt das – soweit er es beeinflussen kann – nicht zu. Er lässt sich seinen Erfolg nicht abkaufen. Am System vorbei und dabei dessen perfide Mechanismen zugleich intelligent nutzend, hat er auf eigenen Wegen Prominenz erlangt.
Es gibt viele, die ähnlich spannende Kunst machen oder gemacht haben wie Banksy. Sie sind nicht weltberühmt wie er. Darum geht es aber auch gar nicht. Es geht darum, dort wo Menschen leben, die Kunst mit ihrem Leben in Verbindung zu bringen, sie zu inspirieren, sie zum Denken oder Handeln anzuregen, oder ihnen auch einfach nur Freude zu bereiten. Genau diese Freude an der Kunst sollte man sich durch nichts verderben lassen –schon gar nicht durch eine Biennale in Venedig. Finde ich. Und was meinen Sie?
Popularität ist etwas, von dem viele Künstler zunächst träumen, solange sie noch unbekannt und wenig erfolgreich sind. Erreicht einer dann den Status eines Superstars oder wird gar zur Ikone, dann wird diese Popularität oft zur Last, denn sie macht es schwer möglich, ein „normales“ Privatleben zu führen – belagert von hysterischen Fans oder gejagt von wild gewordenen Paparazzi. Selber schuld – das ist eben der Preis des Ruhms, mögen Sie vielleicht denken. Dafür leben diese Stars immerhin ein Leben im Luxus und haben keine anderen Sorgen.
Ich sehe das nicht so. Viele Künstler werden getrieben von Erwartungen, die Presse und Fans an sie stellen. Wie geht man als Mensch mit solchen Erwartungen um? Wie kann man sie steuern oder sogar unbeirrt und frei seinen eigenen Weg gehen? Viele schaffen das nicht und scheitern daran wie seinerzeit beispielsweise Elvis Presley, oder der von Kindheit an zur Leistung auf der Bühne getrimmte Michael Jackson. Sie haben uns großartige Musik geschenkt, waren megaerfolgreich und sind bis heute im kollektiven Gedächtnis der Weltöffentlichkeit, doch waren sie in ihrem Leben wirklich glücklich?
Im Scheinwerferlicht, auf der Bühne oder am Set mag ein Glück möglich sein. Da zählt die Kunst und die Rollen sind klar. Doch was passiert, wenn der Künstler den Schutzraum der Bühne verlässt und auf sich selbst gestellt ist? Oder wenn er den Erwartungen der Menge nicht (mehr) genügt? Wer sieht den Menschen abseits der Bühne und vor allem: wer respektiert ihn?
Viele sind daran zerbrochen, denn der Erfolg ist kein Garant dafür, dass man auch als Mensch glücklich wird. Wenn Erfolg ein bestimmtes Stadium des Ruhms erreicht, fordert er einen sehr hohen Preis.
Für Künstler ist zu allererst einmal die Kunst, die Bühne oder das Studio ein Ort der Heimat. Und auch ihr Zufluchtsort. Hier können sie sich ausdrücken, wie sie sind. Und hier sind sie zunächst sicher, denn in ihrem Entstehungsprozess ist die Kunst nicht angreifbar. Angreifbar wird der Künstler erst, wenn er an die Öffentlichkeit geht, sich und sein Werk exponiert.
Gute Kunst offenbart das Innerste und ist deshalb immer zutiefst persönlich. Das schafft Ängste und kostet Energie. Wenn die Öffentlichkeit ins Spiel kommt, versucht sie dann, etwas aus dem Menschen hinter dem Werk zu machen, was er vielleicht gar nicht ist.
Manche zerbrechen daran, andere entwickeln eine Resilienz – allein, in der Band oder weil sie eingebettet sind in ein familiäres Umfeld, das sie schützt. Wie ein stabiles Boot, das sie durch das wogenden Meer der Öffentlichkeit Wahrnehmung steuert.
Meine absolute Nummer eins als Künstler und auch als unbeugsame, willensstarke Persönlichkeit war immer Bob Dylan, seit Jahren besuche ich seine Konzerte. Er wurde von seinen Fans, die in ihm den Folksänger oder politischen Rebell sehen wollten, als „Verräter“ ausgebuht und beschimpft, als er 1966 erstmals mit elektrischer Gitarre und Orgel seine neueste Komposition „Like A Rolling Stone“ auf der Bühne spielte. Für ihn war dieser neue Sound eine Entdeckung und Erweiterung seiner künstlerischen Möglichkeiten. Dafür hatten die selbst erklärten Fans kein Verständnis. Sie wollten ihm ihr Bild von ihm aufzwingen und machten damit deutlich, dass er ihnen sowohl als Künstler wie auch als Mensch Bob Dylan egal ist.
Wie er sich damals dabei fühlte, weiß nur er. Aber dass er sich davon nicht beeindrucken ließ, sondern bis zum heutigen Tag unbeirrt immer das getan hat, was er gut und richtig fand – notfalls „against all odds“ – das weiß inzwischen jeder. Bei Konzerten verändert er seine Lieder nach Belieben, versetzt „Blowin´ in the Wind“ schon mal in den Walzertakt, wenn er Lust dazu hat. Als ich ihn zum ersten Mal live spielen hörte, konnte ich keinen einzigen Song auf Anhieb erkennen. So etwas habe ich nie vorher und auch seither nie bei einem anderen Künstler erlebt. Das führte jedoch erstaunlicherweise nicht zu einer Enttäuschung des Publikums. Im Gegenteil: Irgendwann ging der ganze Saal nur noch mit, folgte dem Sound und dem Rhythmus und hatte einen großartigen, unvergesslichen Abend – mich eingeschlossen.
Was Bob Dylan von sich preisgeben will, drückt er in seinen Texten und seiner Musik aus. Interviews mit ihm sind eine Rarität. Das wirkt auf mich sehr kongruent, stark und ehrlich und ist – mit allen damit verbundenen Ecken und Kanten – dann auch noch sehr erfolgreich. Ein Glücksfall. Mensch und Künstler sind eine Einheit – und seine Fans akzeptierten das seit Langem. Er hat sich durchgesetzt und sie respektieren ihn und seine Persönlichkeit.
Diese Haltung spiegelt nicht nur meine Einstellung gegenüber jedem Künstler, sondern auch jedem Menschen überhaupt – und sie spiegelt dabei immer auch mein Verhältnis zu OUBEY.
Prominent oder nicht – ich sehe immer auch den Menschen im Künstler.
Deshalb fiel es mir nie schwer, OUBEY genauso zu akzeptieren wie er war. Auch er war ein großartiger Künstler mit einem starken und unbeugsamen Charakter, ging konsequent seinen eigenen Weg. Er brauchte großen Freiraum für eigenes Denken und Tun und genauso brauchte er die liebevolle Rückendeckung eines Menschen – beides gab ich ihm gerne.
Ich liebe den Künstler und verehre ihn, doch ich sehe immer auch den Menschen, der Mitgefühl und Respekt verdient. Den übergriffige Penetranz in seiner freien Entfaltung einschränkt und der niemanden braucht, der sich neugierig in sein Leben drängen will. Darum war es umso schöner, dass OUBEY mich in sein Leben einlud und mich teilhaben ließ an seinem Werk.
„Marilyn Monroe – Die Unbekannte“, Ausstellung Historisches Museum der Pfalz in Speyer.
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Als ich diese Nachricht las, freute ich mich, denn für mich ist klar: Kunst tut gut! Kunst hat eine wohltuende, ausgleichende Wirkung, kann Balsam für die Seele sein. Von Kunst berührt zu werden, ist etwas ganz Besonderes. Wenn man neueren Forschungen glauben darf, waren schon unsere Vorfahren in der Steinzeit fasziniert von der magischen Wirkung von Kunst – seien es die Töne und Klänge einer frühen Musik oder die Malereien an den Wänden von Höhlen.
Und auch mir geht es heute so, wenn ich bestimmte Musikstücke höre oder die Gelegenheit habe, bestimmte Gemälde im Original anzuschauen wie zum Beispiel van Gogh´s „Kirche von Auvers“ oder Manet´s „Olympia“ im Pariser Musée d’Orsay. Auch wenn ich es nicht erklären kann, haben diese Bilder beim Betrachten eine tiefgehende Wirkung auf mich und erzeugen in mir dabei ein regelrechtes Glücksgefühl.
Das kommt Ihnen seltsam oder übertrieben vor? Vielleicht weil Sie so etwas mit einem Gemälde bisher selbst noch nicht erlebt haben. Dann denken Sie aber doch mal an ein Musikstück, das Sie lieben. Eine Ballade stimmt uns traurig, eine Arie weckt Sehnsüchte, der richtige Rhythmus animiert zum Tanzen und Singen befreit die Seele. Musik bringt uns zum Weinen, zum Lachen, zum Ausflippen, zum Nachdenken. Auf YouTube finden Sie unzählige Videos von Babys, die noch nicht mal richtig laufen können, aber schon freudestrahlend in ihren Windeln zur Musik wippen. Kunst weckt etwas, das ganz tief in uns drin liegt.
Geradezu ekstatisch reagieren oft selbst ganz kleine Babys auch, wenn man ihnen Bilder von farbenfrohen Gemälden zeigt. Diese Erfahrung habe ich auch schon mit OUBEYs Bildern gemacht. Die Babys strampelten und quietschten vor Freude und Begeisterung beim Anblick mancher Bilder. Da war ein richtiger Enthusiasmus zu spüren! Das allein wäre für mich schon Beweis genug dafür, dass Kunst nicht nur Kopfsache ist, sondern ganz viel mit unseren Energien und Gefühlen als Spezies zu tun hat – und das schon seit es diese Spezies gibt.
Kunst tut einfach gut. Kunst ist wichtig für unser Wohlbefinden und unsere Seele. Kunst weckt Emotionen, die ohne Kunst in unserem Alltag verborgen bleiben würden. OUBEY würde an dieser Stelle vielleicht die „Pathetique“ von Tschaikowsky auflegen, ich dagegen sein Klavierkonzert Nr.1 in B-Moll. Aber da ich gerade an Brian Wilson´s Album „Imagination“ denke, werde ich mir das jetzt wieder einmal anhören. Gute Kunst wird nie langweilig. Man kann sie immer und immer wieder anschauen und anhören und sie tut immer und immer wieder gut. Eine wunderbare Wirkung, die ich jedem Menschen auf der Welt wünsche – notfalls auf Rezept.
Diesem Prinzip folgen die Baurichtlinien in Alpbach und genau dadurch unterscheidet sich der Ort von allen anderen Dörfern Österreichs. Das ist paradox: Denn durch die strikt angeordnete Gleichheit der Fassaden wird der Ort zu etwas Besonderem. Alpbach ist anders, weil alles dort gleich ist. Diese Einzigartigkeit hat den Ort berühmt gemacht hat und lockt jede Menge Besucher an.
Aber wo bleibt das Individuelle in dieser unwirklichen äußerlichen Schönheit? Die Individualität der Menschen, die in diesen Häusern leben, spielt sich ausschließlich hinter den Kulissen ab. Eine seltsame Welt, die mich irgendwie an die Künstlichkeit der Kulissen von Disneyland erinnerte.
Als ich dann über den kleinen Friedhof des Ortes spazierte, konnte ich kaum glauben was ich sah. Er gleicht einem Wald aus kunstvoll gefertigten schmiedeeisernen Grabmälern, von denen eins so aussieht wie das andere. Alle gleich hoch und gleich breit – nur die Namen und Fotos der Verstorbenen machen einen Unterschied. Gleichheit nach außen bis in den Tod.
Doch dann kam ich an ein Grabmal, das den anderen zwar ähnlich, aber doch nicht gleich war. Es war das Grabmal des österreichischen Nobelpreisträgers Erwin Schrödinger, einem der größten Wissenschaftler des 20. Jahrhunderts, von dessen geistiger Leistung sowohl OUBEY als auch ich schon immer sehr beeindruckt und begeistert waren. An diesem Ort zu sehen, dass man doch immerhin der genialen Ausnahmeerscheinung eines Erwin Schrödinger Respekt zollt, indem man seiner Grabstätte ein Abweichen vom Immergleichen zugesteht, hat mich ein wenig beruhigt. Für einen wie ihn hatte man selbst in Alpbach eine Ausnahme gemacht. Schönheit war in diesem Augenblick für mich der Ausblick auf die Möglichkeit von Individualität.
Äußere Gleichförmigkeit kann als schön empfunden werden, sie kann aber auch unschöne oder sogar hässliche Gestalt annehmen. Verglichen mit den deprimierenden Fassaden vieler moderner Wohn- und Zweckbauten in Großstädten wirkt die äußerliche Gleichheit der Häuser von Alpbach geradezu wie eine beglückende Wohltat fürs Auge. Umgekehrt wird etwas nicht automatisch schön, nur weil es individuell ist oder von der Norm abweicht.
Was also ist Schönheit? Diese Frage haben sich klügere Menschen als ich schon zu allen Zeiten gestellt. Aspekte von Schönheit werden durch die Ästhetik, durch Naturwissenschaft und Geometrie und auch durch manche Erkenntnisse der Psychologie definiert. Was ein Mensch subjektiv als schön empfindet, folgt wohl immer auch ein Stück weit diesen Definitionen, ist dabei aber auch immer subjektiv. Was der eine schön findet, findet der andere möglicherweise alles andere als schön. Das ist gut so. Denn es ist Ausdruck menschlicher Individualität.
Auf dem Friedhof in Alpbach beugte sich das Prinzip der absoluten Gleichheit dem Respekt vor der genialen Individualität eines einzelnen Menschen und machte für ihn eine Ausnahme. Genau das hat mir in diesem Moment wieder einmal klar gemacht, dass der Respekt vor dem Individuum die Voraussetzung dafür ist, dass eine Schönheit entstehen kann, die auf Vielfalt basiert. Und dieser Respekt gebührt selbstverständlich jedem Menschen und nicht nur einem weltberühmten Nobelpreisträger.
Wenn Architekten, Städtebauplaner, Landschaftsgestalter und Designer aller Art sich diesen Grundsatz zu Eigen machen würden anstatt nackte Funktionalität und minimale Kosten bei maximaler Effizienz zu verfolgen, wäre die Lebensumgebung vieler Menschen heute mit Sicherheit zumindest weniger unschön als dies derzeit der Fall ist.
Der großartige Designkünstler Stefan Sagmeister, der übrigens auch das preisgekrönte MINDKISS Buch über OUBEYs Kunst gestaltet hat, eröffnet demnächst in Wien eine Ausstellung zum Thema „Beauty“. Die werde ich mir auf jeden Fall anschauen. Vielleicht komme ich dort zu neuen Erkenntnissen, die ich an dann gerne im Social Web oder an dieser Stelle wieder mit Ihnen teile.