Am 2. August 2004 berichtete die RHEINPFALZ über einen Verkehrsunfall auf der B9 zwischen Römerberg/Dudenhofen und Schwegenheim. Ein Lkw fuhr ungebremst in einen Kleinwagen, der mit eingeschaltetem Warnblinker auf dem Standstreifen stand. Dessen Fahrer war der junge Künstler Oubey, mit bürgerlichem Namen Rudi Wendelin-Köhler aus Karlsruhe. Ein Schock für alle, die ihm nahestanden, vor allem aber für seine Ehefrau Dagmar Woyde-Köhler, die teilweise in Dudenhofen lebt. Für sie war trotz der Fassungslosigkeit aber schnell klar: „Ich wollte seine Kunstwerke nicht verkaufen, dazu war ich finanziell zum Glück nicht gezwungen. Ich wollte seine Kunst mit bestem Wissen und Gewissen weiterhin den Menschen zugänglich machen.“

Die Kunstsammlung, die Dagmar Woyde-Köhler seitdem sorgfältig ausstellt und verwaltet, besteht hauptsächlich aus Bildern. Am liebsten arbeitete Oubey mit einem Pigmentfarbenmix auf Hartfaserplatten. Aber er verstand sich auch immer als Pionier, der ebenso mit neuen Kunstformen experimentierte, wie Dagmar Woyde-Köhler erzählt: „Schon 1987/88 hat er mit einem Zeichenprogramm auf einem Amiga experimentiert. Mein Mann wollte immer vielschichtige und vielfältige Kunst schaffen, aber dabei nie beliebig wirken.“

Damit hatte Oubey bereits früh auch kommerziellen Erfolg und verkaufte bei seiner ersten Ausstellung auf Anhieb sämtliche Kunstwerke. Die große Karriere auf dem traditionellen Kunstmarkt schien auf einmal möglich – und der Druck auf Oubey wuchs: „Ich habe bemerkt, dass ihn das sehr gefreut, aber auch beschäftigt hat. Er meinte zu mir, wenn ich so weitermache, dann verliere ich die Quelle meiner Kunst, also habe ich ihm geraten eine Pause von den Ausstellungen zu machen,“ sagt Woyde-Köhler. Der Künstler arbeitete stattdessen über Jahre in seinem Atelier. 2004 sollte endlich wieder eine Ausstellung, die erste seit zwölf Jahren, an den Start gehen. Dann aber passierte der Unfall.

Verwaltet die Kunst ihres verstorbenen Mannes und macht sie öffentlich zugänglich: Dagmar Woyde-Köhler. Foto: Andre Bakker/gratis

 

Philippinen und Neuseeland

Woyde-Köhler entschied sich bald dazu, das Projekt „Mindkiss“ ins Leben zu rufen und Oubeys Kunst weiterhin Menschen in Ausstellungen und im Internet zugänglich zu machen. „Ich sehe mich quasi als Sammlerin, vor allem von Reaktionen“, beschreibt Woyde-Köhler ihr Tun. „Denn aus den Reaktionen auf seine Kunst entsteht etwas ganz Neues.“

Und tatsächlich konnte Dagmar Woyde-Köhler durch die Kunst ihres Mannes und ihr Projekt, das nach der ersten Ausstellung ihres Ehemanns benannt ist, Menschen auf der ganzen Welt erreichen. 2023 gab es eine viermonatige Ausstellung in Manila auf den Philippinen, Woyde-Köhler traf den US-Astronomen Seth Shostak und arbeitete mit dem Grafikdesigner Stefan Sagmeister zusammen. Auch ein Besuch an einer Maori-Schule in Neuseeland kam zustande.

Überall blickten die Menschen mit Faszination auf Oubeys Kunst und fänden Inspirationen und Anregungen, beteuert seine Frau. „Aber das Schönste sind eigentlich die ganzen Begegnungen und interessanten Gespräche, die durch Oubey und seine Kunst gefördert werden. Er hätte sich auf jeden Fall gefreut zu sehen, was seine Kunst mit den Menschen macht, und wäre sicher gerne Teil dieser Gespräche“, erzählt Woyde-Köhler.

Interaktives Projekt geplant

Tiefe und Inspiration waren schon immer das Besondere an Oubeys Kunst. Woyde-Köhler beschreibt die Arbeiten ihres Mannes so: „Seine Kunst ist eine Ode an die Freude der Erkenntnis. Er war immer sehr interdisziplinär interessiert und verbindet in seinen Werken naturwissenschaftliches Interesse und philosophische Ansätze. Er war der festen Überzeugung, dass alles miteinander verbunden ist.“ Dieser Ansatz führte nun zu großem Erfolg und Bekanntheit auf der ganzen Welt. Auch wenn Dagmar Woyde-Köhler den Erfolg ihres Projekts nicht in Ruhm oder Zahlen bemisst: „Für mich bedeutet Erfolg, möglichst viele Menschen mit Oubeys Kunst zu erreichen. Besonders auch die außerhalb der Kunstszene, die sich sonst nicht damit beschäftigen.“

Um das zu garantieren, plant Dagmar Woyde-Köhler auch weiterhin Projekte und Ausstellungen. Gerade sind Exhibitionen in Helsinki, Barcelona und Mailand in Planung. Außerdem arbeitet sie mit ihren Partnern an einer interaktiven Webexperience namens „Mindspace“, die im März 2025 an den Start gehen soll. „Hier wollen wir den Menschen Oubey und seine Interessen ins Zentrum stellen“, erklärt Woyde-Köhler. Trotz all den vielen Projekten verwaltet sie das Vermächtnis ihres Mannes mit großer Verantwortung und will ihr Versprechen, seine Kunst weiterzutragen, weiterhin einlösen.

 

DIE RHEINPFALZ, Marco Biallas, 14. August 2024

Foto: Andre Bakker

 

Beispiele für die Gegenthese gab es schließlich zu allen Zeiten bis zum heutigen Tag mehr als genug.

OUBEY war bereits in jungen Jahren auf die Monadologie gestoßen und von der ihr zugrunde liegenden Metaphysik des Wilhelm Gottfried Leibniz fasziniert. Als Philosoph, Mathematiker, Physiker, Metaphysiker, Vordenker dessen was wir heute Computer nennen und einigem mehr gilt er vielen bis heute als letztes wirkliches Universalgenie.

Nicht dem gefeierten Newton, sondern dem lange Zeit verkannten Leibniz und dessen Monadologie widmete OUBEY deshalb eins seiner frühen Bilder und nannte es „Die Reise der Monaden“.

Dieses Bild begegnete und begeisterte in den vergangenen vier Monaten als Teil der „Art of Resonance Show“ im Mind Museum Manila so vielen Menschen wie nie zuvor. Das allein wäre Grund genug, die Monadologie von Leibniz noch einmal genauer zu studieren.

Dann las ich kürzlich einen Kommentar, der die These von der besten aller möglichen Welten zitierte, um sie ad absurdum zu führen angesichts der Abgründe, in die Menschen und Völker auch im 21. Jahrhundert stürzen als sei Geschichte nichts, woraus man etwas für die Zukunft lernen könnte, und mit dieser Begründung die Idee eines göttlichen Ursprungs dieser Welt gleich mit in Frage zu stellen.

Ich fühle mich keineswegs berufen, an dieser Stelle über die Existenz eines Gottes zu philosophieren. Doch so viel sei angemerkt, dass es auffällig ist, wie leicht uns die Unzulänglichkeit oder auch Nicht-Existenz eines Gottes in den Sinn kommt, wenn uns Schlimmes widerfährt – sei es individuell oder kollektiv, verursacht durch Naturgewalt oder durch die brutale Gewalt, die Menschen und ganze Völker anderen Menschen und anderen Völkern antun wie wir es auch in den 20er Jahren dieses Jahrhunderts direkt oder indirekt erleben. Und dies ganz besonders dann, wenn selbst die barbarischsten Grausamkeiten ausgerechnet im Namen eines Gottes verübt werden.

Was OUBEY an der Leibniz´schen Monadologie faszinierte war weniger dessen damit verknüpfte Theodizee, sondern das ihr innewohnende Verständnis von der Freiheit, Einzigartigkeit und Unteilbarkeit einer jeden Monade, das heißt einer jeden Seele in diesem Universum. Kühn und selbst vielen heutigen Denkern immer noch weit voraus, gehörte für Leibniz nicht nur die eigene Spezies Mensch, sondern alles was im Universum existiert zu den beseelten Wesen.

Wobei der Mensch – so jedenfalls der bisherige Stand der Erkenntnis – als einzige Spezies auf diesem Planeten mit einem freien Willen ausgestattet ist, der über angeborenes Instinkt- und Gattungsverhalten hinausgeht und Entscheidungen ermöglicht wie sie kein anderes Wesen treffen kann. Und das, wenn es die Situation erfordert, auch entgegen eigener Instinkte und Triebe. Entscheidungen wie die, ob man einem anderen Menschen aus welchen Gründen auch immer zu schaden bereit ist, ob man einen oder gar viele Menschen zu töten bereit ist, oder ob man auf einen eigenen Vorteil zugunsten eines anderen Lebewesens zu verzichten in der Lage ist – nur einige wenige Beispiele für Entscheidungen des Willens.

Diese Welt ist nach Leibniz nicht deshalb die beste aller möglichen Welten, weil sie perfekt, das heißt vollkommen und in jeder Hinsicht fehlerfrei ist. Sondern weil sie den Menschen als einziges Gattungswesen auf dieser Welt mit einem freien Willen ausgestattet hat. Eine perfekte Welt und ein freier Wille ihrer Bewohner, sich für die eine oder andere Verhaltensweise zu entscheiden – das schließt sich aus. Auch über die Frage wie frei der menschliche Wille denn wirklich sei, wurde seit Zeiten gestritten.

Stellen wir uns einfach mal das Gegenteil vor: eine wirklich perfekte Welt. Wohl nicht erst seit Thomas Morus im Jahr 1516 sein philosophisches Traktat mit dem Titel „Utopia“ veröffentlichte, haben Menschen von einer perfekten Welt geträumt, einem Paradies auf Erden. Wie klug die Leibniz´sche Sicht auf Welt und Mensch war, erkennt man an den V ersuchen, derartige Utopien zu verwirklichen. Sowohl in Form kleiner, sektiererischer Gemeinschaften als auch in Form großer gesellschaftlicher Verwirklichungsversuche endeten alle mit einer größtmöglichen Unfreiheit des Einzelnen. Dass diese Systeme immer wieder von einzelnen verlassen oder im gesellschaftlichen Kollektiv überwunden werden, ist ein sehr beweisstarkes Zeugnis von der Kraft und Macht des freien Willens.

Für Leibniz gibt es keinen perfekten, idealen oder gar paradiesischen Urzustand dieser Welt und es gab ihn auch nie. Ganz im Unterschied zum Glauben daran, dass eine menschliche Sünde zum Grund für die Vertreibung aus solch einem einstigen Paradies wurde – quasi als Strafe – und dass seither jeder Mensch mit einer „Erbsünde“ geboren wird. Da gefällt mir die Idee eines Universums, das zugunsten der Freiheit menschliche Fehler und selbst Katastrophen und Verbrechen in Kauf nimmt, eindeutig besser. Beweisbar ist ohnehin weder das eine noch das andere.

Freiheit schafft Raum für Mögliches, fürs Überschreiten von Grenzen – im Denken wie im Tun, im Positiven wie im Negativen. Freiheit bedeutet aber immer auch Verantwortung. Jeder entscheidet jeden Tag, wie er seine Freiheit nutzt, um diese Welt einen besseren Ort werden zu lassen oder auch nicht, und trägt dafür die Verantwortung. Sei es im Kleinen, sei es im Großen.

In der „besten aller möglichen Welten“ ist die Freiheit eine Bedingung. Vermutlich war dies einer der Gründe, weshalb ein unbändiger Freigeist wie OUBEY dieser Idee von Leibniz ein Bild widmete. Und vielleicht lebt dieser Geist der Freiheit in diesem Bild so stark, dass es bis heute nahezu jeden Menschen, der es sieht, unmittelbar in seinen Bann zieht.

In der Kombination aus dem allen neigen wir dazu, das, was groß, laut und sichtbar ist, in seiner Bedeutung für uns zu überschätzen und das, was klein, unhörbar und unsichtbar ist, in seiner Bedeutung für uns zu unterschätzen.

Wenn man sich die technologische und industrielle Entwicklung der letzten 250 Jahre anschaut, und hierbei dann insbesondere die der letzten zwanzig Jahre ins Auge fasst, dann gewinnt dieser Sachverhalt eine brisante Bedeutung.

Als ich einmal mehrere Stunden im „Museum of Science and Industry“ in Manchester verbrachte, wurde meine bisherige Vorstellung von dem, was die „Erste industrielle Revolution“ in Europa, insbesondere und zuerst in England vor 150 bis 200 Jahren genannt wird, auf eine neue Erlebnisbasis gestellt.

Gigantische Maschinen, mehrere Meter hoch und viele Meter lang, angetrieben zunächst durch Dampf, später durch elektrische Energie, reihen sich dort in der riesigen „Power Hall“ aneinander. Es sind ausgewählte gut erhaltene Exemplare, die repräsentativ für hunderte ihrer Art stehen, die damals in den sich ausbreitenden Fabriken immer öfter zum Einsatz kamen.

Wie mag der Anblick solcher Maschinen wohl auf Menschen im 19. Jahrhundert gewirkt haben, die nie zuvor etwas Ähnliches gesehen hatten? Die bis dahin eigenständig ihr „Handwerk“ verrichtet hatten – sei es in der Landwirtschaft, in ihrer eigenen Werkstatt oder in einer Manufaktur. Wie fremdartig und furchterregend muss die erste Begegnung mit dem monströsen Getöse von Maschinen dieser Art gewesen sein und wie lange mag es gedauert haben, bis Menschen sich an diese neue Substanz in ihrem Leben gewöhnt hatten – ganz unabhängig von den damit verbundenen Arbeits- und Lebensverhältnissen, für die bis heute der Begriff des „Manchester Kapitalismus“ steht.

Diese Veränderung war radikal und sie war brutal. Vor allem aber war sie substanziell physisch erlebbar. Was sich veränderte, war sichtbar, laut und groß und insofern entsprach es dem Wahrnehmungssystem des Menschen wie er es seit zigtausenden von Jahren entwickelt hatte. Eine gigantische Dampfmaschine war als das erkennbar, was sie ist.

Heute stehen wir am Beginn einer anderen Revolution, in der eine neue Art von Technologie und Maschinen herrschen. Das sind nicht mehr die großen sichtbaren Ungetüme, die Dampf und Hitze verbreiten und uns ihren Rhythmus aufzwingen. Es sind Algorithmen, unsichtbare, unhörbare, aber ungeheuer wirkungsvolle Mechanismen, auf die unser Wahrnehmungssystem nicht eingerichtet ist. Virtuelle, substanzlose Welten entstehen. Wir erkennen sie nicht auf den ersten Blick als das was sie sind. Sie zwingen uns nicht, sie verführen uns. So tappen wir von einer Falle in die nächste und fühlen uns dennoch frei und gut in der vermeintlichen Komfortzone.

Unsere Spezies hat sich eine Welt geschaffen, die von zunehmendem Substanzverlust lebt. Was aber bedeutet das? Hier kommt der Philosoph Ludwig Wittgenstein ins Spiel, dem dieser Beitrag seinen Titel verdankt: „Hätte die Welt keine Substanz, so würde, ob ein Satz Sinn hat, davon abhängen, ob ein anderer Satz wahr ist. Es wäre dann unmöglich, ein Bild der Welt (wahr oder falsch) zu entwerfen.“  (Aus: Tractatus logico-philosophicus, 2.0211/2.0212).

Als Paul Watzlawick sein ebenso kluges wie unterhaltsames Buch „Wie wirklich ist die Wirklichkeit“ schrieb, ahnte er nichts von Wirklichkeitskonstruktionen dieser Art. Auf eine physisch nahezu unmerkliche, sehr leise, unsichtbare, aber dennoch ungeheuer wirkungsvolle Weise stellt uns diese neue Revolution vor die Frage, wie gut und wie schnell wir unser Wahrnehmungssystem und unser Bewusstsein schärfen und weiterentwickeln können, um mit den scheinbar unmerklich und zugleich rapide wachsenden Veränderungseinflüssen intelligent und selbstbewusst umgehen zu können. Im großen Verwirrspiel um Wahrheit und Fake entsteht eine bisher nicht gekannte Art von Realitätsverlust. Die Matrix lässt grüßen. Dass wir fortlaufend Informationen und Daten abgeben, lässt sich heute schon gar nicht mehr verhindern. Doch das Wissen und das Bewusstsein von dieser Entwicklung wächst. Und solange Menschen im Spiel sind, entsteht niemals eine Kraft ohne eine Gegenkraft zu erzeugen.

Das neue Zeitalter ist noch jung. Vor uns liegen einige Dekaden, in denen Weichen gestellt werden.

 

 

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