THE ARTIST

1958 — 2004

OUBEY


BEREITS WÄHREND DER SCHULZEIT BESCHÄFTIGT SICH OUBEY MIT DER PHYSIK EINSTEINS UND HEISENBERGS, DER METAPHYSIK VON LEIBNIZ, DER PHILOSOPHIE DER GRIECHEN. MIT DER LYRIK VON CELAN, RILKE UND TRAKL EBENSO WIE MIT DEN KLASSIKERN DER SCIENCE FICTION LITERATUR – GEISTIGE EINFLÜSSE, DIE IN SEINEM SPÄTEREN WERK MITEINANDER VERSCHMELZEN.

OUBEY studierte zunächst Architektur an der Universität Karlsruhe. Die Begegnung mit Prof. Fritz Haller wurde in dieser Zeit für ihn zu einer Erfahrung von besonderer Bedeutung. Sie führte ihn von der Architektur über die Entwicklung futuristischer Stadt- und Lebenskonzepte und die Planung prototypischer Raumkolonien hin zur existenziellen Entscheidung für die Kunst. Die Beschäftigung mit den bahnbrechenden Gedanken von Ilya Prigogine zur Überwindung der Trennung zwischen den akademischen Disziplinen sowie zwischen Wissenschaft und Kunst bestärkten ihn in seiner ureigensten Auffassung davon was Kunst sein kann und sollte. Seine Auseinandersetzung mit den Zusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen Chaos und Ordnung im Kosmos sowie die Erforschung der Komplexität unseres Seins wurden zu einem substantiellen Element seiner künstlerischen Arbeit.

Parallel dazu begann OUBEY im Jahr 1979 mit der Malerei. 1983 traf er für sich die Entscheidung als freier Künstler zu leben und zu arbeiten. 1987 zog er in das vormalige Atelier von Markus Lüpertz in Karlsruhe, wo er bis 2001 gearbeitet hat. Seine erste Einzelausstellung im Jahr 1992 blieb die einzige. Trotz des großen Verkaufserfolgs seiner avantgardistischen PhotonPaintings bereits am Eröffnungsabend, beschloss er kurz darauf, sich auf unbestimmte Zeit keiner öffentlichen Einflussnahme mehr auszusetzen. Er blieb bei dieser Entscheidung bis zum Umzug in ein neues Atelier, wo im Jahr 2003 eine enorm produktive Schaffensphase begann, in der unter anderem auch die StarPixels entstanden.

In dieser Phase begann OUBEY zum ersten Mal nach zwölfjährigem Rückzug ernsthaft an eine nächste Ausstellung zu denken. Inmitten der Vorbereitung auf diesen nächsten Schritt kam er bei einem Verkehrsunfall im August 2004 ums Leben.

OUBEY EXPERIENCE


Dieser experimentelle Kurzfilm von Bernd Müller unternimmt eine erste Annäherung an OUBEY and das Geheimnis seiner Kunst. Er folgt den Spuren seines Denkens und Schaffens und nimmt den Betrachter mit auf eine Reise in eine Welt im Zauber der Komplexität. Eine Welt, die OUBEY dem Betrachter durch seine Kunst immer wieder neu öffnet. Das im Film eingesetzte Super 8 und Videomaterial wurde mit einem Computerprogramm so bearbeitet, dass die Bilder sich in dynamischen Pixelströmen auflösen und bewegen, begleitet von den Klangbildern des Soundtracks, der von dem französischen Komponisten Kangding Ray geschaffen wurde.

Um das Klangerlebnis voll und ganz zu genießen empfehlen wir, beim Anschauen gute Lautsprecher oder Kopfhörer zu verwenden. Ton und Bild des Films sind interaktiv: sie können mit Hilfe der Computermaus manipuliert werden. Das originale Bild- und Tonmaterial von OUBEY stammt aus dem Archiv des Atelier O.U.B.E.Y und lässt OUBEY selbst sprechen – nicht nur in seinen eigenen Worten, sondern an einigen Stellen auch mit seiner eigenen originalen Stimme. Es wird in diesem Film erstmals einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

IN HIS OWN WORDS


Thought N°1

DER ENDZUSTAND BLEIBT OFFEN

„Die Veränderung in der Vorstellungswelt des Betrachters entsteht beim Bild nicht durch Außeneinwirkung, nicht dadurch, dass der Betrachter um das Objekt herumgeht und so z.B. Licht- und Schattenwirkung verändert, sondern dadurch, dass es sich in seinem Bewusstsein modifiziert, dort einen irreversiblen Prozess auslöst. Diese Leistung kann ein Bild, wenn es die entsprechende Qualität hat, erbringen. Dann entsteht die Bewegung auf der Bildfläche selbst; dann sind in diesem zweidimensionalen Objekt Schlüsselmomente, Schlüsselpunkte enthalten, die im Bewusstsein des Betrachters eine gezielte vierdimensionale Projektion auslösen, und zwar als eine Kette sich ständig neu zusammensetzender optischer Zusammenhänge. Die Bewegungsdynamik ist im Bild gespeichert.

Das Quadrat schafft die geometrische Grundvoraussetzung dafür, dass sich unter bestimmten Bedingungen Unordnung und Chaos in Ordnung verwandeln können. Das Bild ist innerhalb des Quadrats so angelegt, wobei das Quadrat als Symbol für einen gravitationsfernen Zustand steht, so dass sich ständig neue dynamische Zustände im Bewusstsein des Betrachters bilden können. Die Bilder von Jackson Pollock haben diese Qualität zum Teil auch, aber bei Jackson Pollock steht die Bewegungsdynamik des Malens so stark im Vordergrund, dass dieser Bewusstseinseindruck eher einer superben Monotonie auf einer hohen, komplexen Ebene gleicht und auf dieser Ebene stabilisiert wird.

Meine Bilder dagegen fügen sich immer wieder zu immer neuen Strukturen zusammen, über die gesamte Betrachtungsdauer hinweg. Sie haben eine Anfangsbetrachtungsdauer, in der das Bild eine Beunruhigung, eventuell eine Irritation oder eine Begeisterung auslöst. Im Laufe der Betrachtung kann man einen Weg zurücklegen, es kann ein stärkerer geistiger Prozess beim Betrachter stattfinden als bei anderen Bildern, die sich selbst klarer definieren und klarer darstellen. Die Prozesse, die sich im Bewusstsein des Betrachters abspielen können, versuche ich im Bild bewusst so anzulegen, dass der Endzustand offen bleibt. Ich akzeptiere also bewusst eine irreversible Struktur. Letztlich steht dahinter die Idee, dass die Betrachtung jedes Mal eine ganz neue, eigene Geschichte ist – und zwar als intendierter, ausdrücklich gewollter Wesenskern des Bildes.“

Aus dem OUBEY Blog vom Juli 2015.
Thought N°2

EIN GROSSES GEHEIMNIS, EINE ELEMENTARE IRRITATION

“Ich bin dafür, die Dinge soweit wie möglich zu erklären, sie mit naturwissenschaftlichen Mitteln und Methoden soweit es geht zu erforschen, weil ich glaube, dass man so viel rationalen Verstand einsetzen sollte wie nur irgend möglich, denn das ist immer noch wenig genug und dahinter bleibt immer noch ein großes Geheimnis. Deshalb bin ich auch dafür, dass Milliarden ausgegeben werden für die Teilchenphysik und die Grundlagenphysik, um zu erforschen, aus welchen Bausteinen unser Universum bsteht. Je mehr wir über solche Dinge wissen, desto größer und elementarer wird unsere Irritation sein. Denn dahinter liegt immer das noch größere Geheimnis. Wenn die Lehre Darwins bedeutet, dass wir mit allen Formen des Lebens zusammenhängen; wenn das expandierende Universum bedeutet, dass wir mit dem gesamten Kosmos zusammenhängen; bedeutet dann, als weitere Schlussfolgerung, dass die Evolution des Bewusstseins mit Gott oder etwas Vergleichbarem zusammenhängt? Diese Frage kann man nicht beantworten, aber man muss sich mit ihr beschäftigen.”

Aus OUBEY MINDKISS – STAR PIXELS: Die Verbundenheit von Stern und Mensch eröffnet wahre Welten.
Thought N°3

MEHR EINE IDEE, EINE PHILOSOPHIE ALS EINE TECHNIK

“PhotonPainting schafft durch die Leichtigkeit des Stoffs eine ganz andere Luftigkeit und Transparenz in den Bildern, trifft das Wahrnehmungsspektrum des Menschen am elektromagnetischen Frequenzband, bedeutet zugleich auch Schnelligkeit und größtmögliche Präzision bzw. Perfektion. Jede Ungenauigkeit kann jetzt eine exakt geplante Ungenauigkeit sein.

PhotonPainting ist eher eine Idee, eine Philosophie als eine Technik zur Umsetzung von Bildern. Wenn Ideen stark genug sind, suchen sie sich eine entsprechende Form. In diesem Fall führte die Idee des Malens mit Licht zum PhotonPainting. Es ist vielleicht auch eine Reminiszenz an an den Grenzcharakter, die universelle Konstante der Lichtgeschwindigkeit, die uns Menschen vom physischen Erleben des Universums trennt. Diese Konstante behält uns in einer Art Quarantäne, deren Grenzen wir nur mit Hilfe der Phantasie überwinden können.”

Aus OUBEY MINDKISS – PHOTON PAINTINGS: Tabuzonen der Wirklichkeit vollziehen eine Metamorphose der Realität.
Thought N°4

DAS GEFÜHL IST WIE EIN GUMMIBAND, EIN SPRUNGBRETT, EINE SCHLEUDER

“Unmittelbarkeit ist für meine Bilder das Entscheidende. Unmittelbarkeit ist etwas, das nur über das Gefühl erreichbar ist. Das Bild sollte im Idealfall wie ein Klang oder ein Lichtstrahl ins Auge oder ins Herz gehen. Bei allen intellektuellen Überlegungen, die auch dahinter stecken mögen, ist letztlich das Gefühl das Entscheidende. Weil das Gefühl jeden menschen anspricht, jeden! Fühlen ist Vor-Denken und ist auch wieder Nach-Denken. Das Gefühl ist wie ein Gummiband, ein Sprungbrett, eine Schleuder. Je höher der Raum ist, in dem sich das Gefühl entwickeln kann, umso besser. Ich hoffe, dass mein Bild einen Ureinwohner Australiens genauso fasziniert wie einen Eskimo oder einen Typ aus New York, Frankfurt oder einer anderen Großstadt. Auch das ist für mich ein Element des Universellen.”

Aus OUBEY MINDKISS – DRAWINGS: Linien, Chiffren und Muster erschließen neue Gefühlsräume.
Thought N°5

VOM PRIVATEN BIS ZUM UNIVERSELLEN – ALLES HÄNGT MIT ALLEM ZUSAMMEN.

“Die Verbindung zwischen Individuum und Ganzem ist eins der großen Themen, die meine Malerei durchdringen. Das ist der Spannungsbogen. Kunst kann gewaltige Spannungsbögen zusammenführen, vom Privaten bis zum Universellen. Wo gelingt das schon sonst? Nirgendwo. Darin liegt ihre Einzigartigkeit: vom Einzelnen ins Viele, vom Vielen dann wieder in das ganz Einzelne, Isolierte gehen zu können.

Es gibt ein berühmtes Gedicht von Gottfried Benn: Verlorenes Ich. Das spielt für meine Arbeit eine große Rolle. Es ist an Viele adressiert. An viele einzelne verlorene Ichs. An Ichs, die sich ihrer selbst so stark bewusst sind, dass sie sich vollkommen abgrenzen vom eigenen Erlebnis des Universums. Wir sind viele und doch sind wir allein. Wir sind allein und doch sind wir Facetten eines Vielen. Eines Großen Ganzen. Alles hängt mit allem zusammen und meine Kunst ist ein optischer Ausdruck für diese Erkenntnis. Sie spiegelt einfach die Freude an der Erkenntnis, ist im Prinzip eine Ode dran, ein Gedicht.”

Aus OUBEY – MINDKISS: Materialästhetik und Anythinks für den geistigen Gebrauch.
Thought N°6

DIE WELT IM ZAUBER IHRER KOMPLEXITÄT BELASSEN

“Es ist nicht so, dass ich naturwissenschaftliche Erkenntnisse in Malerei umsetzen oder sichtbar machen will, gar nicht. Naturwissenschaft spielt die gleiche Rolle wie Lyrik, wie Rilke oder Paul Celan, wie Donald Duck und Mickey Mouse, wie Boris Becker, Mozart oder Ilya Prigogine. Sie gehört zu den vielen Erfahrungen, die man hat und die in die Kunst einfließen. Ich versuche, diese Erfahrungen zusammenzufassen und in meine Kunst mit hinüberzunehmen, und nicht die Kunst als eine weitere Erfahrung in diese Reihe einzugliedern. Das ist ein gewaltiger Unterschied.

Das Ziel meiner Kunst besteht gerade nicht darin, die Komplexität der Wirklichkeit auf eine verborgene gesetzmäßige Einfachheit zu reduzieren, sondern die Welt im Zauber ihrer Komplexität und Unkontrollierbarkeit zu belassen und zu versuchen, ihr etwas Entsprechendes entgegenzusetzen. Denn die Natur selbst ist ein Kunstwerk.”

Aus OUBEY MINDKISS: Der Kosmos im Kopf als Urgrund der Kunst.
Thought N°7

MAN MUSS SICH EINFACH ALLE FREIHEITEN NEHMEN

„Der Unterschied zwischen Malerei und der Arbeit am Computer? Er ist für mich minimal. Der Unterschied zwischen Malerei und Bleistiftzeichnung ist elementarer als der zwischen Malerei und dem Arbeiten mit einem Malprogramm des Computers. Schon der Unterschied zwischen Bleistift und Filzstift ist größer, bedeutet eine größere Umstellung vom Gefühl her, hat größere Auswirkungen auf die Bilder, die entstehen.

Dazu muss ich allerdings sagen, dass ich nicht mit Programmen arbeite, die die typische Computergrafik erzeugen. Mich interessieren in Bezug auf meine Malerei die Ableitungen, die sich aus der Mandelbrodt´schen Menge ergeben, also Fraktale, Apfelmännchen etc. überhaupt nicht. Ich habe mir das angeschaut, darüber nachgedacht, und damit hat es sich. Das ist mir zu computertypisch, gehört zur Physik, zur Naturwissenschaft, so wie die Falschfarbenfotografie, die Infrarotfotografie oder die astronomische Fotografie. Das alles gehört eher in den Bereich der wissenschaftlichen Grafik.

Der Computer wird in meiner zukünftigen Arbeit keine größere Rolle spielen als bisher. Ich bin froh, wenn irgendwann Computer so weit verbreitet sein werden, dass sie keinen Menschen mehr interessieren als heute ein Auto oder ein Rasierapparat. Viele Menschen verwechseln den Computer mit der Software. Software wird sicher eines der großen Themen der Zukunft sein; Computer und alle Technik wird sich permanent weiterentwickeln (…) Die Künstler müssen genau hinsehen und begreifen was passiert. Sie müssen die Dinge schlucken, vereinnahmen, verdauen, gebrauchen, missbrauchen, zerstören, damit machen, was ihnen passt. Da ist ihr Genie gefragt, die Dinge so zu nehmen wie sie kommen, sie sich schnappen und damit zu machen was ihnen einfällt und gefällt.

Das heißt aber auch den Mut zu haben, vom Computer wieder auf den Bleistift umzusteigen. Man muss sich einfach alle Freiheiten nehmen. Wenn der Computer zufällig am Wege liegt, ihn aufheben, ihn ein andermal aber auch in den Sand treten.“

From: MINDKISS - The PhotonPainting. Catalogue from OUBEYs 1st exhibition in 1992

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