Parallel dazu finden wir in unserer Gesellschaft häufig die Auffassung: Was teuer ist, das muss auch wertvoll sein. Oder warum sonst meinen viele, eine teure Jeans müsse viel besser sein als eine billigere? Oft ist es nur der Markenwert eines Produkts, der den Preisunterschied zwischen materiell gleichwertigen Waren bestimmt. 

Diffiziler geht die Bewertung von Unternehmen an der Börse vor sich. Auf der Basis von Annahmen über die zukünftige Entwicklung des Aktienwerts eines Unternehmens entscheidet die Psychologie des Anlegerverhaltens darüber, von welchem Unternehmen Anteile erworben oder verkauft werden. Die Frage, ob ein Unternehmen solide und nachhaltig wirtschaftet, klug in die Zukunft investiert und somit einen reellen Wert darstellt, spielt hierbei unter dem Gesichtspunkt der spekulativen Gewinnerwartung keineswegs immer die ausschlaggebende Rolle. 

Wie ist das bei der Kunst?

Wie aber verhält es sich mit dem Verhältnis zwischen Wert und Preis in der Kunst? Hier finden wir meist eine Kombination aus beiden Mechanismen. Hat ein Künstler für sich und sein Werk den Bekanntheitsgrad einer starken Marke erreicht, dann wird für dasselbe Werk, das einst nur einen geringen Preis erzielt hat, ein Vielfaches gezahlt – oft auch in der Annahme, dass der Wert der Werke dieses Künstlers auf dem Kunstmarkt weiter steigen wird. Kunst als Geldanlage. 

Insbesondere für junge unbekannte Künstler ist die Prognose eines Galeristen oder Kunsthändlers über die voraussichtliche zukünftige Wertentwicklung ihres Werks gegenüber kaufinteressierten Personen von existenzieller Bedeutung. Hier greift dieselbe Psychologie des Wettens wie sie bei den Anlegern zu finden ist. Niemand weiß, ob es so kommen wird –wie der Experte sagt. 

Schaffensfreiheit als Luxus

Dank OUBEY wurde mir klar, dass Kunst, die ausnahmsweise das Glück hat, in vollkommener Freiheit vom Markt zu entstehen, eine sehr seltene, ganz eigene Qualität entwickeln kann. Und wenn diese so entstandene Kunst dann auch nicht käuflich ist und deshalb keinen Preis hat, kann sich diese Freiheit auch auf den Betrachter übertragen und der Begegnung mit dem Werk eine ebenso außergewöhnliche und selten zu findende Qualität verleihen, wie sie im Entstehungsprozess vorhanden war. 

Diese Freiheit kann man als eine besondere Art von Luxus empfinden. Das Beispiel des großartigen Malers Vincent van Gogh zeigt jedoch, dass dieser vermeintliche Luxus der Schaffensfreiheit durchaus mit großen Entbehrungen verbunden sein kann. Er verkaufte zu Lebzeiten kaum ein Bild, war in der Sicherung seiner Existenz ganz auf die finanzielle Unterstützung durch seinen Bruder angewiesen. Aus einer ungewollten Freiheit heraus schuf er Bilder von herausragender Qualität, die in ihrem Stil ebenso revolutionär wie einzigartig waren. Heute erreichen dieselben Bilder, die vor 150 Jahren keiner haben wollte, Höchstpreise auf Auktionen. Der wahre, immanente Wert der Bilder war zur Zeit ihrer Entstehung jedoch bereits derselbe wie heute. Er besteht unabhängig von jedem Preis.

Wertschätzung, die von innen kommt

Wenn kein Preis den Wert eines Kunstwerks festlegt, ist der Weg frei für eine andere, immaterielle Wertschätzung, die von innen kommt. Es geht dann nicht mehr ums Besitzen, sondern ums reine Entdecken und Genießen. Deshalb verkaufe ich OUBEYs Bilder nicht, auch wenn ich immer wieder angefragt werde. Ich habe mich von dem BeWERTungssystem des kommerziellen Kunstbetriebs befreit. 

Der Wert von OUBEYs Kunst erweist sich für mich in der Resonanz der Menschen auf seine Bilder, wenn ich sie frei von jeder kommerziellen Spekulation in einen öffentlichen Prozess des Entdeckens durch andere Menschen bringe. Das ist ebenso experimentell wie befriedigend. Menschen sagen mir, dass der Anblick bestimmter Bilder sie glücklich macht. Das ist nicht in einem Geldwert berechenbar. Es ist ein persönlicher Lebensgewinn. 

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