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KULTURSPONSORING – AUS WELCHEN QUELLEN FLIEßT DAS GELD?

Vor kurzem las ich, dass die Tate Britain, eines der größten Kunstmuseen Großbritanniens, keine Spenden mehr von einem ihrer finanzstärksten Sponsoren, der Familie Sackler aus den USA, annimmt, weil die durch umstrittene Schmerzmittel reich wurde. Eine bemerkenswerte Entscheidung, die mich auf neue Weise ins Nachdenken über die Abhängigkeiten im Kulturbetrieb allgemein und das Kultursponsoring im Besonderen brachte.

Ist die Entscheidung des Museums eine Ausnahme oder ist sie das erste Signal für einen Umschwung? 

Gemeinnützigkeit vs. Profitabilität

Museen sind eine relativ junge Errungenschaft unserer Zivilisationsgeschichte. Bis zur Französischen Revolution befanden sich Kunstschätze zumeist im Privatbesitz von Königen, Fürsten und anderen Adeligen, die als Mäzene die Künstler ihrer Zeit beauftragten und bezahlten und deren Werke dann für sich behielten. Erst im 19. Jahrhundert, dem Zeitalter des aufsteigenden Bürgertums, wurden diese Kunstschätze nach und nach in staatlich finanzierten Kunstmuseen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Das war ein großer Fortschritt.

Seither ist die Zahl der Museen stetig gewachsen. Heute stehen sie angesichts gesunkener staatlicher Subventionen untereinander im harten wirtschaftlichen Wettbewerb. Angesichts hohem Kapitalbedarf bei schrumpfendem Kulturetat befinden sie sich in der Besucher-Einnahmen-Falle. Das doch eigentlich gemeinnützige, nicht kommerziell ausgerichtete Museum muss nach dem Modell des ständigen Wachstums arbeiten. Das hat zwei Trends zur Folge:

Zum einen den Trend zu Blockbuster-Ausstellungen über Kunst, die im kommerziellen Kunstbetrieb hoch gehandelt wird. Was viel kostet muss viel wert sein, heißt das Prinzip, und wirkt deshalb als Publikumsmagnet. Dieser Trend hat zur Folge, dass experimentelle Konzepte oder weniger bekannte Künstler, die nicht zu den Pop Stars der Kunstszene gehören, außen vor bleiben. Das Risiko eines Minusgeschäfts ist den Museen einfach zu groß.

Dem folgt als zweiter Trend,  dass viele Museen, um derart publikumswirksame Ausstellungen finanzieren zu können,  großzügige Spenden reicher Privatpersonen oder Unternehmen gerne entgegennehmen.

Geld stinkt nicht – oder doch?

Ist doch egal, wo das Geld herkommt – Geld stinkt nicht, denken Sie vielleicht. Und wenn das Geld einem guten Zweck wie der Aufbewahrung von Kunst in einem Museum oder der Restauration von Notre-Dame zugute kommt, dann ist das nur recht und billig. 

Tatsächlich hat es lange Zeit niemanden interessiert wo die Mittel fürs Kultursponsoring eigentlich herkommen und welche Konsequenzen damit verbunden sind. Nun wird das aber immer häufiger kritisch hinterfragt.

So zum Beispiel auch von einer Aktivistengruppe, die sich in Anlehnung an das berühmte „To be or not to be“ aus Shakespeare´s Hamlet „BP or not BP“ nennt. Damit bezieht sie sich auf das Sponsoring der Royal Shakespeare Company und des British Museum durch den Ölkonzern BP und vor allem auf dessen bekannt gewordenen Versuche der Einflussnahme darauf, welche Sonderausstellungen zum Schlager im Programm des Britischen Museums werden sollen.

Im Fall der Familie Sackler gilt die Kritik vor allem der Tatsache, dass sie ihr Geld, das sie mit ethisch dubiosen Pharma-Geschäften verdient, dann im  Kultursponsoring quasi „reinwäscht“.

Und als Mitte April ein Feuer die Kathedrale Notre-Dame in Paris und einen Teil des dort aufbewahrten Kulturerbes zu zerstören drohte, löste das nicht nur allgemeines Entsetzen aus, sondern auch eine bis dahin nicht dagewesene Spendenbereitschaft unter den reichsten Familien Frankreichs aus. Innerhalb kürzester Zeit kamen 800 Millionen Euro zusammen. Das ist ohne Frage gut für die Zukunft der beschädigten Notre-Dame. Und doch empfand die französische Öffentlichkeit diesen Vorgang eher befremdlich. Woher kommt dieses Störgefühl?

Es geht um Unabhängigkeit und Vielfalt

In einer pluralistischen Gesellschaft, die auf demokratischen Grundsätzen basiert, ist die Frage nach der Unabhängigkeit gemeinnütziger Einrichtungen eine sehr wichtige Frage. Denn nur ein ausreichendes Maß an Unabhängigkeit ermöglicht echte Vielfalt und stärkt den Mut zu Neuem, das nicht stromlinienförmig im Zeitgeist schwimmt, sondern auch mal Anstoß erregt oder zum Widerspruch reizt. Das tut einer offenen Gesellschaft gut. 

Letztlich greift diese Art von Kultursponsoring ja überhaupt nur deshalb, weil der Allgemeinheit das Geld fehlt, um frei von solcher Unterstützung unabhängig agieren zu können.

Großmut kann viele Gründe haben

Allzu oft können sich Großverdiener ihrer Pflicht entziehen, unspektakulär und ohne Prestigegewinn wie jeder andere auch ihren Teil zur Gemeinschaft beizutragen. Mit ihren freiwilligen Finanzierungsbeiträgen holen sie diese Pflicht nach und erscheinen dabei zugleich als Wohltäter.

Damit hier kein Missverständnis aufkommt: Es wäre spekulativ und unredlich, den Sponsoren ihre Liebe zu Kunst und Kultur absprechen zu wollen. Doch die Frage nach dem Zweck so mancher Großzügigkeit muss erlaubt sein. Sponsoring ist immer auch eine Form der Werbung und des Marketing von Firmen oder Einzelpersonen, und das zumeist in Kombination mit einem interessanten Abschreibungs- oder Steuersparmodell. Das ist erlaubt und aus unternehmerischer Sicht sogar naheliegend. 

Ich denke, ohne hier das weite Feld der Finanzierung von Museen im Besonderen und Kunst im Ganzen abstecken zu wollen oder können, dass wir genauer hinschauen müssen, woher das Geld für unsere Kultur kommt. Ich jedenfalls hoffe, dass die Aktion der Tate Gallery keine Eintagsfliege bleibt, sondern da, wo es angebracht ist, Schule machen wird. 

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