Das gedankliche Spiel mit der Anwendung mathematischer Gesetze und Funktionen – aus der Geometrie wie aus der Algebra, von der Infinitesimal- bis zur Vektorrechnung, gehörte für OUBEY schon früh zu den geistigen Übungen, die ihm großes Vergnügen bereiteten. Als es im Rahmen des Architekturstudiums einmal um die Aufgabe ging, ein Möbelstück zu entwerfen und er sich an den Entwurf eines Klappstuhls machte, führte ihn diese Art von Gedankenspiel in die Entwicklung eines speziellen Rotationsvektors hinein. Statt eines Klappstuhls präsentierte er am Ende seine Erkenntnis über diesen Rotationsvektor. So viel an dieser Stelle über OUBEY und Mathematik.
In Prof. Karl Sigmund fand ich einen Mathematiker, der nicht nur Weltruf genießt auf seinem Gebiet, sondern der in seinem Gebiet mathematische Fragestellungen erforscht, die auch OUBEY besonders stark interessierten und begeisterten. So z.B. die Untersuchung des Langzeitverhaltens komplexer dynamischer Systeme mit Hilfe von maß- bzw. wahrscheinlichkeitstheoretischen Methoden, auch Ergodentheorie genannt. Ihre Ursprünge liegen interessanterweise in der Himmelsmechanik. Aber auch mathematische Fragen der Biologie (Ökologie, Populationsgenetik) und der chemischen Kinetik, und nicht zuletzt die von Karl Sigmund entwickelte evolutionäre Spieltheorie. Und schließlich auch einen Mathematiker, der bereit war, sich auf das Experiment der Begegnung mit einem völlig unbekannten Bild eines völlig unbekannten Künstlers vor laufender Kamera einzulassen.
Prof. Sigmund ist Mitglied der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und seit 2003 Mitglied der Leopoldina. Von der Tageszeitung Die Presse und dem ORF wurde er aufgrund des Ergebnisses einer Leserwahl als Österreicher des Jahres in der Sparte Forschung prämiert.
Neben der Mathematik selbst widmet sich Karl Sigmund auch der Geschichte der Mathematik. Er leitete Ausstellungen über die Emigration österreichischer Mathematiker im Jahr 1938 sowie über Kurt Gödel, einen der größten Mathematiker des 20. Jahrhunderts. Im Rahmen seines „Gottesbeweises“ entwickelte Gödel, der Leibniz sehr verehrte, eine eigene Monadenthoerie. Hier schließt sich, wenn man so will, ein kleiner Kreis innerhalb des OUBEY Encounter Projekts: OUBEY widmete eines seiner Bilder der Leibniz´schen Monadologie, indem er ihm den Titel „Die Reise der Monaden“ gab.
Als am späten Nachmittag des 15. September 2011 in einem Seminarraum am Mathematischen Institut der Universität in Wien der Encounter mit Prof. Sigmund begann, hatte er bereits einen langen und anstrengenden Tag hinter sich und meinte, er sei wohl eigentlich nicht mehr frisch genug für ein solches Unterfangen. Zum Glück ließ er es aber doch auf einen Versuch ankommen und war dann hinterher umso mehr erstaunt darüber, dass er sich so frisch und munter fühlte als wäre der Tag noch am Morgen.