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Ein Pionier lässt grüßen: OUBEYs frühe Computerkunst

Ich erinnere mich bis heute daran, wie begeistert OUBEY im Sommer 1985 davon erzählte, dass im piekfeinen New Yorker Lincoln Center ein ganz neuer Computer mit für die damalige Zeit überwältigenden Multimedia-Fähigkeiten vorgestellt worden war. Der Computer hieß Commodore Amiga 1000 und vorgestellt wurde er dort von keinem geringeren als Andy Warhol, gemeinsam mit Blondie-Sängerin Debbie Harry. Nur zu gerne hätte OUBEY damals bereits selbst einen solchen Amiga besessen.

Doch erst als das verbesserte und verbilligte Modell des Amiga 500 im Jahr 1987 auf den deutschen Markt kam, konnte er sich diesen Wunsch erfüllen.

Der staunenden Öffentlichkeit vorgestellt wurde dieser Amiga 500 allerdings bereits 1986 in der Alten Oper Frankfurt, vor großem und wichtigem Publikum, moderiert von Frank Elstner. Wer einen Eindruck vom Entwicklungsstand der damaligen Zeit gewinnen möchte, für den lohnt sich auf jeden Fall ein Blick in die Videoaufzeichnung von dieser Veranstaltung , die erst seit wenigen Jahren online steht. Dieses Video zeigt auf seine Weise, wie weit OUBEY damals seiner Zeit voraus war, denn was andere damals staunend bewunderten oder nur zum Spielen benutzten, machte er für sich zu einer neuen Möglichkeit des künstlerischen Arbeitens.

Natürlich verbrachte auch OUBEY mit großem Vergnügen viele Stunden spielend am Amiga. Doch vor allem die graphischen und sonstigen technischen Fähigkeiten erprobte er vom ersten Tag an exzessiv und nutzte sie für seine künstlerische Arbeit. Spielerisches Experimentieren nach Herzenslust – das war ganz in seinem Sinn! Innerhalb eines Jahres entstanden 1987/88 so die ersten frühen Bilder der OUBEY COMPUTER ART (OCA) – Serie, die „Earlybirds“. Eine Auswahl von fünfzehn Bildern aus dieser Serie steht aus Anlass des 10thAnniversary des MINDKISS Projekts seit heute erstmals online.

Was die künstlerische Nutzung des Amiga 500 betrifft, war OUBEY ein echter Pionier. Zunächst war der Bildschirm wie ein Blatt Papier oder eine Leinwand und die Maus wie ein Stift oder Pinsel. Dank seines technischen Know Hows und seines Improvisationstalents baute er sich dann jedoch nach und nach um den Amiga herum sein eigenes künstlerisches high-tech Studio. So gelang es ihm, ab 1989 den Computer zunehmend als Membran zu nutzen, durch die hindurch er verschiedenste Stoffe, Materialien, Farben und Strukturen zu einzigartigen Bildern verschmelzen konnte. Diese Bilder nannte er PhotonPaintings. Mit ihnen bestritt er im Jahr 1992 unter dem Namen Wendelin Koehler seine erste und einzige, sehr erfolgreiche Ausstellung.

In seiner Arbeit mit dem Amiga ging es OUBEY nie darum, sich von den technischen Möglichkeiten beherrschen zu lassen, sondern darum, sie „zu nutzen wie einen Bleistift“, wie er in einem Gespräch 1992 selbst sagte. Sein komplettes Statement finden Sie hier.

1993 war das Thema für ihn ausgereizt, zumal die Materialisierung der virtuellen Bilder an ihre Grenzen stieß. Laserprojektion oder hochwertiger Ausdruck auf riesigen Plottern wäre noch interessant gewesen, war aber nicht finanzierbar.

Zu den größten technischen Herausforderungen in der Anfangszeit des MINDKISS Projekts gehörte es, hunderte von Floppy Discs zu öffnen, die dort gespeicherten Amiga- Bilder auf den PC zu übertragen und sie somit sichtbar und archivierbar zu machen. Als es nach vielen Wochen tatsächlich gelang, die gespeicherten Bilder zu sehen, war das ein Moment besonderer Freude. Nicht nur deshalb, weil sich damit ein weiterer Teil des verborgen gebliebenen Schatzes, den OUBEY hinterlassen hat, offenbarte. Sondern auch weil es damit möglich wurde, zum Launch des MINDKISS Projekts im Jahr 2010 eine Auswahl von PhotonPaintings sowohl im Internet als auch in einem der fünf Bände des preisgekrönten MINDKISS Buchs erstmals öffentlich zu präsentieren.

Im Jahr 2017 folgte, fünfundzwanzig Jahre nach OUBEYs erster und einziger Ausstellung, die Veröffentlichung weiterer Bilder: Zwanzig PhotonPaintings aus dem Katalog der MINDKISS Ausstellung von 1992 .

Nun kommen heute, an OUBEYs Geburtstag, fünfzehn weitere Bilder hinzu – seine allererste Arbeiten mit dem Amiga 500. Das passt perfekt zum Thema „OUBEYs Kunst im Digitalen Resonanzraum“, das im Zentrum des 10thAnniversary steht und das wir im Herbst dieses Jahres im ZKM feiern werden. Wir werden dann also nicht nur ausgewählte analoge Werke mit Hilfe neuester digitaler Möglichkeiten wie Virtual Reality und Künstliche Intelligenz präsentieren, sondern schlagen heute bereits auf digitalem Weg den Zeitbogen zurück zu den Anfängen von OUBEYs Computerkunst in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts.

 

PS

Mehr als 1000 Werke des noch immer verborgenen Schatzes von OUBEYs Kunst freuen sich weiterhin geduldig darauf, im Laufe der nächsten Jahre und Jahrzehnte bei einer nächsten Gelegenheit den Raum der öffentlichen Resonanz zu betreten.

 

 

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