Thoughts & Insights

Es lebe die Freiheit vom Zweck

Ich weiß nicht mehr wie es kam, dass ich mit zwei ebenso aufgeklärten wie sympathischen Menschen vor einigen Jahren in ein Gespräch über die Freiheit von Zweck und Absicht hineingeraten bin. Aber ich erinnere mich bis heute sehr gut an dieses Gespräch. Es begann damit, dass die beiden aus irgendeinem Grund behaupteten oder aus einem Beispiel ableiteten, dass nichts auf dieser Welt was Menschen tun, jemals frei von irgendeinem Zweck sei.

Ich widersprach Ihnen und führte OUBEYs Leben und Schaffen als wahrhaftiges Gegenbeispiel an, das ich aus nächster Nähe über mehr als zwanzig Jahre hinweg miterleben konnte. OUBEY besaß die sehr seltene Gabe, Dinge einfach zu tun, weil er sie tun wollte oder manchmal auch einfach tun musste ohne zu fragen oder auch nur wissen zu wollen, welchem Zweck sie dienen. Und das in jeder Hinsicht. Nie zuvor in meinem Leben war mir bis dahin ein solcher Mensch begegnet und die Vielfalt der Charaktere, denen ich bis dahin begegnet war, ist groß.

OUBEY machte das, was ihn interessierte und was ihn am meisten befriedigte ohne Rücksicht auf eine öffentliche Resonanz. Dass er sich einer solchen Resonanz einmal stellte bei seiner ersten und einzigen – sehr erfolgreichen – Ausstellung zu Lebzeiten im Jahr 1992, blieb die Ausnahme. Dass er sich in seinem Schaffen danach zwölf Jahre lang vollkommen aus der Öffentlichkeit zurückzog, war eine Entscheidung zugunsten seiner Freiheit des zweckfreien Schaffens. Für ihn ging es darum, die komplexen Bilder, die in seinem Kopf entstehen, von innen nach außen zu bringen. Wenn es je einen Zweck für sein künstlerisches Schaffen gab, dann war es dieser. Das ist aber wohl nicht das, was wir üblicherweise als Zweck bezeichnen.

In den enger werdenden Räumen des Kunstgeschäfts hat OUBEY sich diese Lust an der Freiheit von jeglichem Zweck bis zum letzten Tag seines Lebens bewahrt.  Das allein macht sein Vermächtnis zu etwas sehr Besonderem in diesen Zeiten, in denen es vor allem darum geht, als Zweck und Ziel des eigenen Tuns, aus einer täglich wachsenden Menge von öffentlich wahrnehmbaren Erscheinungen hervorzustechen, um berühmt zu werden. OUBEY ging es um die Lust am Tun und die Freude an der Erkenntnis. Diese Art seines Sich-Selbst-Vergessen-Könnens hat mich vom ersten Tag an fasziniert und beeindruckt.

Am Ende des Abends gaben sich die Diskussionspartner „geschlagen“, wenngleich ich vermute, dass sie ihre Meinung durch meine Intervention nicht wirklich geändert haben. Oder doch? Vielleicht schreibe ich ihnen mal und frage sie. Ihre Antwort würde mich interessieren.

Mit der nun beginnenden zeitlich unbegrenzten schöpferischen Pause im MINDKISS Projekt bewege ich mich jetzt selbst in den genussreichen Freiraum der Zweckfreiheit hinein, den OUBEY sich zeit seines Lebens immer genommen hat. Die Qualität der Bilder, die aus diesem Freiraum heraus entstanden sind, spricht für sich selbst.

Was aus meinem selbst initiierten Freiraum der Zweckfreiheit entstehen wird, weiß ich nicht. Im Extrem kann und darf diese Auszeit sogar ins Ende des Projekts hineinführen. Ich sage nicht, dass ich vorhabe, das Projekt zu beenden. Aber ich will mich frei davon fühlen, es mit Öffentlichkeitswirksamkeit weiterzuführen aufgrund einer entstandenen Erwartung. Ob und wann daraus etwas Nächstes fürs MINDKISS Projekt erwachsen wird, lasse ich bewusst offen. In dieser Hinsicht bin ich OUBEY nun vielleicht näher als jemals zuvor.

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