Thoughts & Insights

Die Zeit ist reif für ein kosmozentrisches Weltbild

„Die Konstante der Lichtgeschwindigkeit trennt uns Menschen vom physischen Erleben des Universums. Diese Konstante behält uns in einer Art Quarantäne, deren Grenzen wir nur mit Hilfe der Phantasie überwinden können.“ – OUBEY (1992) Die Menschheit befindet sich in einem Geschwindigkeitsrausch der Entwicklung. Im Laufe der letzten dreihundert Jahre hat sich das Entwicklungstempo unserer wissenschaftlichen Entdeckungen und technischen Errungenschaften in immer kürzer werdenden Intervallen exponentiell beschleunigt.

Den Entdeckungen folgten die praktischen Auswirkungen in immer kürzer werdenden Abständen. Dieser Entwicklungsprozess konzentrierte sich lange Zeit auf den Planeten Erde – den bislang einzigen uns bekannten Planeten, auf dem Milliarden von Menschen, Tieren, Pflanzen und anderen Existenzen leben können – einfach so wie die Schöpfung sie hervorgebracht hat. Die Erde ist und bleibt bis auf weiteres erst einmal der einzige Planet im Milchstraßensystem, auf dem wir und die Vielfalt all der zigtausenden von erdenspezifischen Arten ohne High-Tech Ausrüstung leben und überleben können.

Und obwohl das Glück dieser Tatsache mit jedem Jahr unserer wachsenden Erkenntnis immer klarer zu Tage tritt, scheint es uns gleichzeitig immer schwerer zu fallen, ein Verhältnis freundschaftlicher Koexistenz zu entwickeln zu diesem einzigartigen Planeten unserer Galaxie, der uns ein solch wunderbarer Heimatplanet ist. Man kann nun einwenden, dass die Natur ja auch uns gegenüber nicht immer freundschaftlich agiert, wenn sie mit Hurricanes, Tsunamis, Erdbeben, Vulkanausbrüchen oder Überschwemmungen über uns hereinbricht und auf einen Schlag tausende oder gar hunderttausende von Leben auslöscht.

Doch auch unsere „ancient ancestors“, wie die Maori Neuseelands ihre Vorfahren bezeichnen, wurden von der Natur herausgefordert, z.B. durch Eiszeiten heimgesucht, die vermutlich kein heute lebender Mensch überleben würde – jedenfalls keiner, der in den westlichen Industriegesellschaften aufgewachsen ist, versorgt mit allem, was das Leben angenehm macht, von der Nahrung bis zur wärmenden Heizung im Haus. Es gab schon härtere Zeiten für Menschen und andere Lebewesen auf der Erde als die, in der wir heute gerade leben. Und doch behandelten sie die Erde, soweit wir das heute wissen, mit liebevollem Respekt.

Nun suchen wir nach neuen potenziellen Heimatplaneten innerhalb und außerhalb unseres Sonnensystems. Das ist gut so. Wenn es nicht gut oder sinnvoll wäre, hätte es die Evolution nicht soweit kommen lassen. Davon war OUBEY überzeugt und davon bin auch ich überzeugt. Die Antriebskraft dieser Suche ist die tief in uns lebende Sehnsucht nach einer größeren, weiteren Heimat – der Heimat, der wir eigentlich entstammen und die uns zugleich doch auch immer noch fremd und in ihrer unendlichen Weite ebenso fremd wie unerreichbar geblieben ist. Das ist die kosmische Heimat, in der die Universen, Galaxien und Sterne zuhause sind, denen wir – als irdische Wesen auf dem Planeten Erde – unsere Existenz verdanken. Ist doch klar, dass wir die Ursprünge unserer Herkunft nicht nur erforschen, sondern auch dorthin zurückkehren wollen.

Doch die Zeit wird uns als Menschen weiterhin in der Quarantäne behalten, von der OUBEY einst sprach. Sollte diese Grenze je überschritten werden, dann wird sie von Wesen überschritten werden, die sich von uns heutigen Menschen durch die Entwicklung und Verbindung mit künstlicher Intelligenz auf eine so elementare Weise unterscheiden werden, wie wir es bisher nur aus Science Fiction Romanen kennen. Das sind dann nicht mehr wir wie wir heute existieren. Das werden ganz andere Wesen sein. Auch das könnte aus evolutionsgeschichtlicher Sicht durchaus gut und sinnvoll sein. Interessant ist diese Perspektive allemal.

Denn diese neuen Heimaten werden wir nur finden, wenn wir unsere Lebenszeit um ein Vielfaches verlängern können. Das wird, wie es aussieht, bereits in wenigen Jahren oder spätestens in ein bis zwei Jahrzehnten Realität sein. Daraus wird sich unausweichlich eine aktualisierte Version des ewigen Menschheitstraums von der Unsterblichkeit ergeben und vielleicht wird eine Art vorläufiger Unsterblichkeit eines Tages für den Zukunftsmenschen sogar tatsächlich erreicht sein. Wie sich das im Zusammenwirken mit künstlicher Intelligenz gestaltet, werden wir sehen.

Absolute Unsterblichkeit jedoch wird es niemals geben in diesem Universum und auch in keinem anderen. Absolute Unsterblichkeit wäre das Ende jeder Evolution. Weshalb aber sollte die Evolution ihr eigenes Ende vorantreiben – nur weil sie einer Spezies namens Mensch vor ein paar zigtausenden von Jahren das Bewusstsein ihrer eigenen Sterblichkeit in den Kopf gesetzt hat? Und damit auch den Traum individueller Unsterblichkeit? Wenn es etwas gibt, woran ich glaube, dann ist es die innere Logik der Entstehungsgeschichte von Allem, uns Menschen eingeschlossen – mit all ihren uns bislang noch unlogisch erscheinenden Widersprüchen und Unzulänglichkeiten. Mag sein, dass wir für eine Periode von 35.000 oder 40.000 Jahren wichtig und nützlich gewesen sein werden für diese Evolution. Aber auch diese Zeit wird ein Ende haben. Auf der Erde und zunehmend auch im Sonnensystem, dem unsere Erde angehört, haben wir uns einen auf uns selbst bezogenen, homozentrierten Bedeutungsraum geschaffen. Das geozentrische Weltbild der Antike haben wir in der Renaissance durch das heliozentrische Weltbild überwunden und zur selben Zeit auch das homozentrische Weltbild der Neuzeit entwickelt – womöglich eine Kompensation für die Erkenntnis des Bedeutungsverlusts der Erde im heliozentrischen Weltbild? Wenn klar ist, dass sich die Sonne nun nicht mehr um die Erde dreht sondern umgekehrt, dann steht doch wenigstens der Mensch im Mittelpunkt des Ganzen als „Master and Commander“. Durch die Erkenntnisse der Astronomie und Astrophysik sowie der physikalischen Grundlagenforschung der letzten Jahrzehnte ist dieses Bild theoretisch zwar längst überholt, hat praktisch-faktisch jedoch immer noch eine gewaltige Wirkungsmacht.

Spätestens seit wir vor etwa einem halben Jahrhundert erstmals Bilder von unserm „Blauen Planeten“ gesehen haben, wie er freischwebend im Weltall steht, ist das Bewusstsein von der Bedeutung unserer Existenz in einen neuen Bezugsraum der Relativität hinein geraten. Die Bilder, die uns das Hubble Space Telescope aus weit entfernten Räumen des Alls sendet, machen für unser Auge wahrnehmbar, was sich Lichtjahre entfernt von unserem Wahrnehmungsfeld abspielt. Und dabei wird klar: Für das Universum in seiner ganzen unermesslichen Größe, Weite und Tiefe sind wir nicht von Bedeutung. Sagt auch der weltbekannte Astrophysiker und Kosmologe Prof. Lawrence Krauss. Unserem Bewusstsein täte es also gut, sich in ein kosmozentrisches Weltbild hineinzubewegen, das dem heutigen Erkenntnisstand über unsere Bedeutung im kosmischen Zusammenhang gerecht wird. Damit verbunden wäre eine Neudefinition unserer Rolle in diesem kosmischen Bezugssystem: Demut gepaart mit einer weiterentwickelten Form des Selbstbewusstseins. Das würde uns vielleicht auch endlich den Weg öffnen, manches anders und besser zu machen – nicht nur auf dieser Erde, sondern auch bei den bevorstehenden Expeditionen ins Weltall.

Ergänzend hierzu finden Sie im National Geographic vom März 2018 einen interessanten Artikel über die Veränderung des Weltbilds von Astronauten, die die Erde vom All aus gesehen haben: https://www.nationalgeographic.com/magazine/2018/03/astronauts-space-earth-perspective/

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