Thoughts & Insights

Vom Knobeln über Ameisen und eine Mathematik des universellen Raums

Immer wieder werde ich gefragt, wie OUBEY war, als Künstler und als Mensch; wie er dachte, wie er arbeitete. Heute ist OUBEYs Geburtstag. Diesen Tag möchte ich zum Anlass nehmen, auf diese Frage einmal etwas konkreter einzugehen, indem ich eine Geschichte teile, die OUBEY selbst erzählt hat.

Seine Erzählung wurde während eines langen Gesprächs im Vorfeld seiner ersten und einzigen Ausstellung im Jahr 1992 aufgezeichnet. Sie hatte sich rund zehn Jahre zuvor im Jahr 1981/82 am Institut für Industrielle Baukonstruktion der Universität Karlsruhe abgespielt, wo OUBEY damals Architektur studierte.

„Ein Jahr bevor ich an die Uni kam, hat Fritz Haller dieses ehemalige Eiermann-Institut übernommen, was ein großes Glück für mich war. Seine Aufgabenstellung im 2. Semester lautete, dass wir Regale und Möbel entwerfen sollten, die eine gewisse Veränderlichkeit als Eigenschaft haben.

Während ein Kommilitone, mit dem ich zusammenarbeitete, praktische Möbel entworfen hat, hab´ ich ein neues mathematisches Modell entworfen, mit axiomatischer Begründung: die sogenannten Rotationsvektoren. Also eine Mathematik, die auf der Vektorrechnung basiert, die aber anstatt der vektoriellen Darstellung, die linearen Strukturen über Punkte im Raum definiert, den Bewegungsaspekt in den Raum mit einbezieht.

In der ganzen Mathematik gab es noch kein entsprechendes Modell. Das habe ich damals entworfen. Eine ganz tolle Sache eigentlich. Ich bin mal gespannt, ob das irgendwann wichtig wird im 21. Jahrhundert. Das wäre eine neue Mathematik im Prinzip. Also nicht mehr 1+1=2, sondern die 1 ist dann eine Form. Also eine universelle Form, die man nicht mit anderen Formen addieren müsste.

Und das wurde akzeptiert. Haller hat das akzeptiert als Ergebnis für Klappmöbel. Er meinte, das sei extrem interessant, daran solle ich weitermachen. Das wäre im Prinzip das Wichtigste überhaupt. Ich kam auf dieses Modell, um Möbel zu berechnen, Klappmöbel, landete aber in neuen Beschreibungen des universellen Raums. So bin ich eigentlich immer. Ich fange irgendwo an zu knobeln über Ameisen und komme letztlich dann auf die komischsten Ideen. Ich kann nichts dagegen tun. Das ist meine Natur.

Ich hab´ ja eigentlich nur gemerkt, was passiert, wenn man Gegenstände im Raum falten will, um sie in eine kleinere Form zu bringen, damit sie vielleicht besser verstaubar sind. Das Praktische ist aber in den Hintergrund getreten. Mir ging´s ja darum: Was passiert eigentlich an diesen neuralgischen Punkten, wenn Flächen oder Stuhlbeine gedreht sind? Und da habe ich gemerkt, dass man mit der normalen Mathematik nicht mehr auskommt. Sondern dass man im Prinzip jedem Gelenk eine Mathematik mitgeben müsste, die diese Gelenkfähigkeit umschreibt.

Und man kann ja erst mal eine generelle Gelenkfähigkeit machen, indem man erst mal eine Mathematik zu diesem Rotationsvektor definiert. Und dann besteht diese Mathematik darin, diese universelle Möglichkeit geometrisch einzuschränken. D.h. man macht keine Mathematik mehr, indem man etwas aufbaut, indem man etwas addiert und eine Formel erzeugt dazu, etwa ein Hebelgesetzt „qm hoch 2, geteilt durch 8“ etwa, womit man die Belastung des Gelenks beschreibt, die Schnittkräfte, indem man die Kräfte beschreibt, die in dem Träger sind, sondern man macht universelle Mathematik.“

OUBEY machte dann aber nicht mit den Rotationsvektoren weiter, sondern wandte sich anderen interessanten Fragen und immer mehr auch der Kunst zu.

Die Begegnung zwischen einem Mathematiker und OUBEYs Kunst stand von Anfang an auf meiner Wunschliste des Encounter Projekts. Im September 2011 war es so weit: Prof. Karl Sigmund, in seinen Fachgebieten ein Mathematiker von Weltrang, begegnete in Wien einem Bild von OUBEY.

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Dabei ging es in dieser Begegnung interessanterweise dann kaum um Mathematik. Hier kann man das Video von diesem Encounter anschauen.

 

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