Thoughts & Insights

Die Kunst des Verschwindens

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Wer Tschaikowsky´s 6. Sinfonie, auch „Pathétique“ genannt, kennt, der kennt das Verschwinden ihrer letzten Töne in der Lautlosigkeit des Nichts. Als ob ein Herz aufhört zu schlagen. Ein Ende, das in die Unendlichkeit führt.

Im voll besetzten Festspielhaus Baden-Baden, wo diese Sinfonie am 28. Oktober vom Marijinsky Orchester unter Leitung von Valery Gergiev gespielt wurde, herrschte nach dem Verklingen ihres letzten Tons im Publikum anhaltende atemlose Stille. Nichts regte sich. Kein Applaus.

Was für ein Moment des Ausnahmezustands in einer Welt, in der wir von laut jubelnder Begeisterung umgeben sind, die oft schon ausbricht, wenn auch nur der erste Ton erklingt! Hier herrscht tiefe Ruhe. Was für eine Macht übt der Klangzauber dieser Sinfonie auf unsere Gefühle aus! Und geht dabei doch niemals zu weit! Ein Balanceakt vollendeter Kompositionskunst.

Die „Pathétique“ war Tschaikowsky´s letztes Werk. Als er sie schuf, war der Tod in seiner Nähe. Er starb wenige Tage nach ihrer – nicht erfolgreichen – Uraufführung. Vielleicht öffnet ihre Klangwelt deshalb scheinbar ein Tor in die nächste Welt, deren Nähe uns im begeisterten Erstaunen verstummen lässt? Wenn man lernen will, die Angst vorm Verschwinden in der Vergänglichkeit allen Seins zu verlieren, kann diese Musik auf jeden Fall dabei helfen.

Alle vier Sätze der 6. Sinfonie kann man sich hier anhören oder herunterladen

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