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KUNST ALS SEELE DER WELT

„Anima Mundi - Seele der Welt“. So lautet der Name der neugestalteten ethnologischen Abteilung der Vatikanischen Museen in Rom, die Papst Franziskus vor kurzem anlässlich einer ersten Ausstellung, die der Amazonas-Region gewidmet ist, eröffnet hat.

In seiner Eröffnungsrede nannte er dieses Museum „ein lebendiges Haus, das bewohnt wird und dessen Pforten den Völkern der ganzen Welt offenstehen, ein Ort, an dem sich jeder repräsentiert fühlen kann, weil die Kirche niemanden ausgrenzt, keine Ausnahmen macht.“ 

Ein Versuch der Aussöhnung mit der Geschichte 

Dass die katholische Kirche, die fürs Ausgrenzen seit Jahrhunderten bekannt ist, ein solches Signal sendet, überrascht. Dass sie dies unter ihrem derzeitigen Papst Franziskus tut, der seit Beginn seiner Amtszeit bereits für einige Überraschungen sorgte, verwundert weniger. Als erster Papst nichteuropäischer Herkunft, aus Südamerika stammend, ist ihm die frühe wie auch die heutige Kunst außereuropäischer Kulturen vertraut. 

Die frühen Hochkulturen der Mayas, Inkas und Azteken waren der europäischen Kultur über Jahrhunderte hinweg weit voraus. Bis ihre Heimat von den Europäern zunächst entdeckt und dann mit brutaler Gewalt in Besitz genommen wurde, damit einhergehend eine selbstherrliche Missionarisierung, die die ungläubigen Heiden zu vermeintlich besseren Menschen machen sollte. 

Dieser Teil der Kirchengeschichte, der zugleich auch ein Teil unserer westeuropäischen Geschichte ist, wurde in unseren Geschichtsbüchern jahrhundertelang als glorreiche Geschichte dargestellt. 

Insofern erkenne ich in dem Ansatz von Papst Franziskus eine gewisse Einsicht und vielleicht auch etwas, das man Demut nennen könnte: Die Korrektur einer ebenso überheblichen wie überholten Sichtweise nicht nur der katholischen Kirche, sondern der gesamten westlichen Welt. Ein Zeichen des Respekts gegenüber all den Völkern der Erde, die der Westen im Zuge der Kolonialisierung zum Zweck der wirtschaftlichen Ausbeutung wie auch der Unterwerfung im Namen und Interesse der Kirche als unterentwickelte primitive Völker betrachtete und dementsprechend behandelte. Ein Versuch des Zueinanderfindens in einem „lebendigen Haus“ der Versöhnung also?

Die Seele ist universal

Keiner weiß, wo die Seele im Menschen beheimatet ist. Sie ist kein physisches Organ, sondern geistiger Natur. Philosophen von Aristoteles bis Leibniz waren davon überzeugt, dass es sie gibt und dass sie nicht nur dem Menschen, sondern allem was lebt eigen ist. Dieser Überzeugung war auch OUBEY, zumal er sich mit beiden Philosophen intensiv beschäftigt hat. 

In seiner Kunst findet diese „Seele der Welt“, die ein Teil seines innersten Wesens war, ihren unmittelbaren Ausdruck. Und da diese Kunst frei ist von allen sprachlichen Grenzen, die uns Menschen oft voneinander trennen, wird sie erlebbar für Menschen unterschiedlichster Kulturen. Diese beglückende Erfahrung konnte ich auf meinen Reisen OUBEYs Bildern rund um den Globus immer wieder machen.

So zum Beispiel als Maori, denen ich in Neuseeland begegnete, beim ersten Anblick von OUBEYs Bildern spontan zu mir sagten: „Diese Bilder beginnen sofort mit Dir zu sprechen, sobald Du sie nur anschaust.“ 

In Momenten wie diesen wurde offensichtlich, dass OUBEYs Vision von der universalen Sprache seiner Bilder sich bewahrheitet, wenn man sie reisen lässt. Deshalb bin ich bis heute froh, dass ich 2010 erstmals meinen gelben Koffer packte, um mit OUBEYs Werken um die Welt zu reisen. So konnte ich die überwältigende Erfahrung machen, dass seine Kunst eine universale Bedeutung hat. Sie berührt die Menschen in ihrem Inneren, ob sie nun in Uganda oder in Neuseeland leben, ob sie nie zur Schule gegangen oder Wissenschaftler sind.

Wenn Kunst die Seele erreicht 

So fremd Kunst uns im ersten Moment manchmal vielleicht auch erscheinen mag, sie erreicht uns – und das nicht nur im Kopf. Dies gilt für alle Kunst, aber ganz besonders für die Kunst, die ohne Worte auskommt: Musik und Malerei. Und es gilt insbesondere auch für all die Gemälde und Sinfonien, auf die das Publikum seiner Zeit ignorant oder ablehnend reagierte, die inzwischen jedoch längst zum wertvollen Schätzen unseres Lebens wurden. 

Kunst ist Ausdruck der „Anima Mundi“ und belebt sie zugleich. Führt sie hinaus – zurück in alte und voran in neue Welten der Erkenntnis und Selbsterkenntnis. So war es in der Frühzeit der Menschheitsgeschichte und so ist es bis heute. Sie kann uns innere Erlebnisse schenken wie es außer ihr nur die Liebe kann. Sie weitet unsere Seele, öffnet unser Herz, kann Barrieren überwinden. 

In einer Zeit, in der wir zwar den Fall der Berliner Mauer feiern, zugleich aber ans Errichten neuer Grenzzäune und Mauern denken, ist dieser Gedanke mehr als nur ein weihnachtlicher. Ich höre die Botschaft in der Eröffnungsrede von Papst Franziskus und ich hoffe, sie zeigt Wirkung mit Konsequenz: „Kunst überwindet alle Barrieren“. Und dabei geht es vielleicht zu allererst um die Barrieren, die wir in uns selbst errichtet haben.

More Dagmar Woyde-Koehler

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