Blog

Waterworld

Der Film „Waterworld“ von Kevin Costner, in dem er auch die Hauptrolle des Einsiedlers auf seinem Katamaran spielt, entwirft das Endzeitszenario einer Welt, die nahezu vollständig  im Wasser versunken ist. In dieser Welt ist nicht Wasser, sondern Erde das wertvollste Gut.

Und eine Karte, die den Standort einer real existierenden Insel inmitten einer Welt des endlosen Wassers verrät, tätowiert auf dem Rücken eines jungen Mädchens, wird zum Objekt der Begierde.

Immer verfügbar

Doch es kann auch anders kommen. Und zwar dann, wenn nicht Erde, sondern Wasser zum knappen und überlebenswichtigen Gut wird. Ein Mangel, den wir in unseren Breitengraden bisher nicht kannten. Das kann sich ändern.

Wir drehen den Wasserhahn auf und schon fließt es, dieses wertvolle Gut. Und was da fließt, ist hochwertiges, geklärtes Trinkwasser. Doch mit dem Wasser, das aus dem Hahn kommt, verhält es sich nicht anders als mit dem Geld, das aus einem Bankautomat kommt. Es kommt nur dann etwas heraus, wenn etwas drin ist.

Geld kann im Zweifelsfall gedruckt werden. Wasser dagegen kann nicht künstlich hergestellt werden. Es ist eine natürliche Ressource, die gespeichert, aber nicht künstlich vermehrt werden kann.

Begrenzte Ressource

Seit ich vor einigen Jahren fürs MINDKISS Projekt in Uganda unterwegs war, betrachte ich den Wasserhahn in meiner Wohnung mit anderen Augen. Ich war zwar auch vorher schon sparsam im Umgang mit Wasser – dachte ich. Doch dort habe ich erlebt, was es heißt, wenn tatsächlich jeder Tropfen Wasser zählt und mehrfach verwendet wird, bevor er dann irgendwann weggeschüttet wird.

Dort habe ich erlebt, mit wieviel Aufwand es verbunden ist, Wasser zum Trinken und zum Kochen zu bekommen. Und wie sparsam dort mit Wasser gehaushaltet wird. Vielleicht nicht in den Luxushotels, in denen die Touristen sich so fühlen sollen wie zuhause. Umso mehr aber in den Haushalten der sogenannten einfachen Menschen, bei denen ich zu Gast sein durfte. Das hat mich beschämt.

Menschen in anderen Regionen Afrikas und der Welt erleben täglich was es bedeutet, mit einem Minimum an Wasser auskommen zu müssen. Wir leben hier in einer sogenannten „gemäßigten Klimazone“ und kennen derlei Beschränkungen nicht. Wir haben uns an diesen Luxus gewöhnt und halten das, was in Wahrheit ein großes Glück ist, für eine Selbstverständlichkeit. Doch nichts auf dieser Welt ist selbstverständlich. Und jedes Glück kann sich wenden.

Direkter Verbrauch

Wasser ist ein Elixier des Lebens. Menschen können viele Tage ohne Nahrung überleben, doch nur wenige Tage ohne Wasser.

Die Erde ist ein blauer Planet. Ungefähr 70% der Erdoberfläche ist von Wasser bedeckt. Doch dieses Wasser ist Salzwasser, für den Verzehr nicht geeignet.

Menschen brauchen trinkbares Süßwasser, um leben und überleben zu können. Doch kein Mensch braucht 120 Liter Trinkwasser am Tag, um seinen Durst zu stillen oder seine Nahrung zuzubereiten. Dennoch verbraucht ein Bundesbürger im Durchschnitt jeden Tag 120 Liter Trinkwasser von allerbester Qualität. Verzehrt werden im Schnitt maximal 2 Liter pro Person, eher weniger. Bleiben 118 Liter Trinkwasser, die wir jeden Tag fürs Duschen, Baden, Abwaschen, Wäschewaschen, Gartenwässern und sogar für die Klospülung verbrauchen.

Die Infrastruktur unserer Wasserversorgung stammt aus Zeiten, in denen sich das menschliche Bewusstsein von der Begrenztheit der Ressourcen noch im pränatalen Stadium befand. Eine Trennung der Leitungen von Trink- und Verbrauchswasser ist derzeit nicht möglich, teilte mir kürzlich ein Experte mit, als ich ihn danach fragte.

Indirekter Verbrauch

Damit aber nicht genug. In allem, was wir täglich zu uns nehmen und gebrauchen, steckt auch ein indirekter Wasserverbrauch. In einem Liter Kuhmilch steckt beispielsweise der Verbrauch von 248 Litern Wasser, in einem kg Mandeln gar 371 Liter. Wieviel Wasser für die Herstellung eines Nahrungsmittels oder künstlich hergestellten Produkts verbraucht wurde, ist bis heute auf keinem Warenetikett gekennzeichnet.

Der Anbau von Zitrusfrüchten und Mandeln in bestimmten Regionen dieser Welt verbraucht allein die Hälfte des weltweit vorhandenen „Grünen Wassers“. Grünes Wasser ist das Wasser, das auf natürliche Weise durch den Regen in den Boden gelangt. In gemäßigten Klimazonen wie der, in der wir hier in Deutschland leben, können viele Produkte der Landwirtschaft mit „Grünem Wasser“ zur Ernte gebracht werden.

„Blaues Wasser“ ist Wasser, das Seen, Flüssen oder auch dem Grundwasser entzogen wird, um in Bewässerungsanlagen eingesetzt zu werden. Ein Artikel in dem lesenswerten Perspective Daily-Magazin gibt hierüber weiteren Aufschluss.

Ungedeckte Schecks

So wie die Ressourcen einer Bank gedeckt sein müssen, damit man Geld abheben kann, muss auch das Reservoir an verfügbarem Trinkwasser gedeckt sein, damit dieses wertvolle Gut auch in Zukunft für jeden von aus dem Hahn fließt, wenn wir ihn aufdrehen.

Wie groß dieses Reservoir ist, zeigt der Grundwasserspiegel. Er ist in den letzten Jahren kontinuierlich und bedrohlich gesunken. Als ob das nicht genug wäre, hat sich auch die Qualität des Grundwassers, das sich in den letzten Jahrzehnten angesammelt hat, deutlich verschlechtert. Und das allein aus dem Grund, dass wir das Wasser nicht nur als scheinbar unbegrenzt verfügbare Ressource betrachten, sondern die Bäche und Flüsse, die uns versorgen, darüber hinaus auch als Müllplätze missbrauchen, in die hinein wir nicht nur die Wegwerfabfälle des Alltags, sondern auch giftige Abfälle entsorgen.

Die Nachwirkungen aus früheren Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, als sich beispielsweise der Rhein bei Basel, Ludwigshafen und anderswo täglich in neuen Farben zeigte – je nachdem welche Abwässer von den ansässigen Chemieunternehmen gerade verklappt worden waren – , sind heute glücklicherweise aus dem Rheinwasser verschwunden,  im Grundwasser dagegen haben sind sie immer noch vorhanden. Was heute an Giftstoffen ins Grundwasser gelangt, wird noch für viele Jahrzehnte dort erhalten bleiben und die Wasserqualität für unsere Kinder und Enkel mindern.

Sonne bringt Wonne

Wenn ich Menschen in diesen Tagen über den „schlechten Sommer“ klagen höre, dann kann ich das einerseits verstehen. Zugleich wundere ich mich darüber, dass der Regen so unbeliebt ist. Frag einen Landwirt und er wird Dir sagen, dass Regen und Sonne im rechten Maß dazu gehören, damit eine Ernte eingefahren werden kann.

So wie wir das Wasser aus dem Hahn einfach laufen lassen, erscheint uns das Warenangebot an Obst und Gemüse im Supermarkt als käme es aus einem Hahn – noch dazu möglichst sauber verpackt in schwer oder gar nicht recycelbarem Plastik, für deren Herstellung ebenfalls Mengen von Wasser verbraucht wurden. Wenn ein Sommer, in dem wochenlang kein Tropfen Regen fällt und täglich mehr als 30 Grad Celsius erreicht werden, als Supersommer bezeichnet wird, über den sich alle freuen, dann wird mir mulmig.

Immer noch wirken Landwirte dem Austrocknen ihrer Felder entgegen, indem sie das wertvolle Grundwasser aus dem Boden herauspumpen, um es dann über einen 360 Grad-Sprenkler mindestens zur Hälfte in der Luft verdunsten zu lassen. Was für eine Verschwendung! Erfreulicherweise haben viele Landwirte im letzten Jahr eine andere Art der künstlichen Bewässerung eingeführt, durch die das Wasser dicht am Boden an die Wurzel der Pflanzen gelangt.

Damit kein Missverständnis aufkommt. Natürlich liebe auch ich den Sommer und die Sonne. Doch schon in sehr jungen Jahren bin ich liebend gerne ohne Schirm im Regen spazieren gegangen und entspanne mich auch heute noch beim beruhigenden Klang des Regens auf dem Dach oder den Blättern der Büsche und Bäume.

Regen bringt Segen

Wir sollten uns über Regen, wenn er in Maßen fällt, nicht ärgern. Niemals. Denn Regen füllt das Reservoir des Grundwassers, aus dem wir, die Natur und nicht zuletzt unsere Nachfahren sich eines Tages mit Trinkwasser versorgen müssen, um überhaupt leben zu können. Wenn wir nicht lernen, über den Horizont unseres eigenen heutigen Lebens hinaus in die Zukunft hinein und einige Jahrzehnte vorauszudenken, werden unsere Nachkommen eine Welt vorfinden, in der das, was für uns noch selbstverständlich war, keineswegs mehr selbstverständlich sein wird. Wollen wir das? Ich will es nicht.

Extreme Temperaturen von 50 Grad an der Ostküste Kanadas oder extremer Starkregen, der aus friedlichen Bach- und Flussläufen innerhalb kürzester Zeit zu Sturzfluten werden lässt, die alles mitreißen oder zerstören, was ihnen im Weg liegt, mögen uns derzeit noch singuläre Ausnahmen erscheinen. Sie könnten aber auch Vorboten eines Klimawandels sein. Nun gut, werden Sie sagen, extreme Klimaveränderungen gab es in der Evolutionsgeschichte immer wieder. Das stimmt. Aber diese ist die erste, die wir aufgrund des Entwicklungsstands unserer Technologie frühzeitig vorhersehen konnten und damit auch die Chance haben, sie zumindest zu bremsen und zu mildern, uns zugleich aber auch auf deren katastrophale Wirkungen vorzubereiten – sei es, dass wir das Land vorm Wasser schützen oder dem Land das das Wasser sichern.

Wasser als Ware?

Die Marktwirtschaft lehrt uns, dass die Nachfrage nach einem Gut seinen Wert bestimmt und dass die Knappheit eines Guts dessen Wert steigert – sofern das Gut auf dem Markt begehrt ist und nachgefragt wird. Wenn Erde knapp ist, ist Erde wertvoll. Das zeigt der Film „Waterworld“. Wenn Wasser knapp wird, ist Wasser wertvoll.

Doch wenn Wasser für uns erst dann wertvoll wird, wenn es knapp ist, dann haben wir ein Problem. Wasser ist wertvoll an sich. War es schon immer. Wir müssen es nur begreifen und dementsprechend respektvoll, sorgsam und sparsam mit ihm umgehen.

More Dagmar Woyde-Koehler

Newsletter