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Zum Glück gibt es einen wie Banksy

Kann Künstliche Intelligenz Kunst schaffen? Kaum vorstellbar, dass dies je der Fall sein wird. Um Kunst zu schaffen, bedarf es des Bewusstseins eines freien Geistes. Ob Künstliche Intelligenz je über das Bewusstsein eines freien Geistes verfügen wird, erscheint mir fraglich. Wenn doch, dann wird die menschliche Intelligenz und kreative Schaffenskraft, die wir heute kennen, in eine symbiotische Koexistenz mit Künstlicher Intelligenz übergegangen sein. Ob es dazu jemals kommen wird? Wenn ja, dann wird das zumindest noch ein paar Jahrzehnte dauern.

Und doch wurde in diesen Tagen erstmals ein algorithmisch erzeugtes Gemälde verkauft – und das für 432.000 US Dollar. Ein Bild, das von einer Pariser Gruppe namens „Obvious Art“ aus Bildinformationen diverser großartiger Gemälde generiert wurde. Im Ergebnis ein nebulöses Etwas, klassisch präsentiert in einem Rahmen, der aus dem 19. Jahrhundert stammen könnte. Der Verkaufspreis ist das Ergebnis einer individuellen Wertsteigerungsfantasie und hat nichts mit der Qualität des Werks zu tun. Es ging darum, überflüssiges Kapital in das erste von Künstlicher Intelligenz geschaffene Bild zu investieren. Mit Kunst hat das überhaupt nichts zu tun. So jedenfalls hätte es vermutlich Peter Kruse formuliert, wenn man der Argumentation seines Statements zum 5thAnniversary des MINDKISS Projekts folgt.

Dass Banksy´s Coup des sich beim Verkauf selbst zerstörenden Bilds „Girl with Balloon“ die Absurdität des kommerzialisierten Kunstbetriebs vor gerade mal zwei Wochen auf geniale Weise sichtbar gemacht hat, ist für den öffentlichen Erkenntnisprozess hoffentlich hilfreich. Denn der ohnehin absurde Verkaufspreis von 1,4 Millionen ist durch die Zerstörung des Bildes nicht kollabiert, sondern sogar auf über 2 Millionen gestiegen. Da hat der Käufer ja echt Glück gehabt. Und wir haben Glück, dass es einen wie Banksy gibt, der allen zeigt, dass der Kunstbetrieb genauso funktioniert wie der Aktienmarkt. Es geht nicht um Kunst, sondern um Spekulation und Gewinn.

Genau hier setzt Banksy´s entlarvender Geniestreich an: Bedeutet die Zerstörung des Bilds auch die Zerstörung seines Verkaufswerts? Das Beispiel zeigt, dass das Gegenteil der Fall ist: es steigt in seinem Wert sogar noch erheblich an. Und so verwandelt sich das geschredderte Bild in eine Lupe, durch die die Absurditäten des kommerziellen Kunstbetriebs en detail und live betrachtet werden können.

Hierzu muss man wissen, dass Banksy als Streetart Künstler zwar großen Wert auf die Wirksamkeit seiner Graffitis und Aktionen legt, sich am Millionenspiel des Kunstmarkts jedoch nicht beteiligt. Seine Unabhängigkeit ist ihm wichtiger als Ruhm und Reichtum.

Wenn er ausnahmsweise doch mal verkauft, dann entwickelt sich um diesen Verkauf herum eine aufklärerische Wirkung. So auch, als er einmal anonym an einem Stand im Central Park New York den Passanten Originale für 60 Dollar zum Verkauf anbot. Wer dort dem unbekannten Künstler ein Bild abkaufte, tat es nicht, um einen „Banksy mit Aussicht auf rasante Wertsteigerung“ zu erwerben, sondern aus Interesse und Sympathie. Banksy filmte die Aktion und veröffentlichte den Film – zum Ärger aller Kunsthändler, denen dieses einmalige Schnäppchen entgangen war. Sie hätten die Werke ohne Frage liebend gerne für Unsummen weiterverkauft.

Banksy´s Inszenierung war perfekt. Sie macht auf einmalige Weise sichtbar wie der Markt funktioniert, wie er sich wendet und dreht, sich den Gegebenheiten anpasst und letztlich durchsetzt. Ob man das gut oder schlecht findet, steht auf einem anderen Blatt. Klar ist, dass es so ist. Das entlarvende Ziel ist erreicht. Alle Welt redet über die Aktion und wird sie wohl so schnell nicht vergessen.

Wer vom Verkauf der Bilder Künstlicher Intelligenz profitieren wird, ist eine ganz neue Frage in diesem System. Denn hinter der Künstlichen Intelligenz steckt derzeit immer noch menschliche Intelligenz, die das Ganze programmiert und somit ursprünglich erzeugt hat.

 

 

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