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Das „Gesagt – Getan“ Prinzip

Wieder einmal steht ein Jahreswechsel bevor. Was feiern wir da eigentlich? Wenn über Nacht aus dem 31. Dezember 2020 der 1. Januar 2021 wird, ändert sich außer dem Datum ja erst einmal gar nichts. Manche wünschen sich vielleicht, alles möge so bleiben wie es ist. Andere hoffen sehnlichst auf eine Veränderung. Wie geht es Ihnen, wenn Sie ans nächste Jahr denken?

Ich könnte mir vorstellen, dass bei vielen der Wunsch nach Veränderung zum ersten Mal seit langem größer ist als der Wunsch, dass alles so bleiben möge wie ist. Das kann eine Chance sein.

 

Der Mensch verändert die Welt

Seit es Menschen auf diesem Planeten gibt, d.h. seit etwa 300.000 Jahren, haben sie damit begonnen, ihre Entwicklung selbst in die Hand zu nehmen. Sie fanden heraus wie man Feuer macht. Sie erfanden Sprache und Schrift, das Rad – wohl eine der Erfindungen, die das Leben auf der Erde so gravierend verändert hat wie kaum etwas anderes – und irgendwann auch den Computer. Der Mensch ist ein neugieriges Wesen, das zwar seine Gewohnheiten liebt, aber ebenso auch die Verbesserung der Lebensbedingungen.

Seit rund 200 Jahren ist der Einfluss des Menschen in dieser Welt rasant gewachsen. Das hatte keineswegs nur negative Folgen, wie es manch einem heute erscheinen mag. Im Gegenteil. Dank medizinischer Entwicklungen wurden beispielsweise viele Krankheiten heilbar, andere wurden ausgerottet. Licht und Wärme sind nicht mehr von Tages- oder Jahreszeiten abhängig, sondern allzeit verfügbar. Zumindest in den westlichen Industriegesellschaften haben wir uns ein Leben in bis dahin nie gekanntem Wohlstand geschaffen, den viele selbstverständlich finden und deshalb schon gar nicht mehr zu schätzen wissen.

Ein Wohlstand, von dem unsere Ururahnen wohl geträumt hätten, wenn sie ihn sich überhaupt hätten vorstellen können und von dem auch selbst heute noch Menschen in anderen Teilen der Welt nur träumen können.

 

Alles ist möglich, aber nichts ist selbstverständlich

Die Einschränkungen des öffentlichen Lebens zum Schutz vor einem Virus haben dieses Jahr viele Sollbruchstellen in unserer Gesellschaft offengelegt, die jahrelang ignoriert wurden und die nach Veränderung verlangen. Und sie haben auch gezeigt, dass nichts von dem, woran wir uns gewöhnt haben, selbstverständlich ist. Dass alles sich von einem Tag auf den anderen komplett verändern kann.

Nirgendwo steht geschrieben, dass uns der Wohlstand, in dem wir leben, zusteht oder gar, dass er uns für immer garantiert ist. Es könnte sogar sein, dass diese Art des Wohlstands, der  im übrigen einen großen Teil der Erdbevölkerung ausschließt, etwas Selbstzerstörerisches in sich birgt, wenn er so fortbesteht. Vielleicht haben manche Erfahrungen dieses Jahres ihren Sinn darin, dass sich unser bisheriges Verständnis von dem, was wir Wohlstand nennen, in Frage stellt und verändert? Für mich liegt die Chance dieses Jahreswechsels darin, dass wir uns für 2021 nicht die schnellstmögliche Rückkehr zur alten Normalität wünschen, sondern eine neue, zukunftsfähige Version von Normalität. Im Rückblick auf den letzten Jahreswechsel wäre allein schon die Bereitschaft, einen solchen Wunsch überhaupt zuzulassen, ein Fortschritt.

 

Vom Wollen zum Tun

Vom Wünschen und Wollen über das Können zum Tun zu kommen, ist die Herausforderung einer jeden Veränderung – wie klein oder groß sie auch immer sein mag.

Egal ob es ein persönlicher Vorsatz ist wie der, dem eigenen Körper mehr Gutes zu tun, sich mehr zu bewegen, rauszugehen in den Wald oder anderswo zu laufen, um Muskeln, Organe und Immunkräfte zu stärken. Oder der, sich für Mitmenschen zu einzusetzen, die es nicht so leicht haben wie man selbst. Oder auch der, Zivilcourage zu zeigen, die Stimme zu erheben, wenn ich höre, dass etwas gesagt wird, oder einzuschreiten wenn ich sehe, dass etwas getan wird, was die Würde eines anderen Menschen verletzt.

Wer oder was hält mich davon ab, etwas zu tun, wenn ich es wirklich und ernsthaft tun will? „Für das Wollen gibt es nur einen Beweis – das Tun“, sagte ein kluger Mensch einmal. So ist es.

 

Mehr als ein Märchen

Zum Einschlafen erzählte mein Vater mir hin und wieder das Märchen von den Bremer Stadtmusikanten. Das ist diese Geschichte von den vier alt gewordenen Tieren eines Bauernhofs, die für dessen Besitzer unrentabel geworden sind: dem Esel, dem Hund, der Katze und dem Hahn. Als sie mitbekommen, dass der Esel an den Schlachter verkauft werden soll, tun sie sich zusammen und sagen sich: „Etwas Besseres als den Tod finden wir überall“.  „Gesagt – getan“ ist die Zauberformel der Geschichte an dieser Stelle, denn beherzt wie sie sind ergreifen sie gemeinsam die Flucht, bestehen einige Abenteuer und kommen schließlich in die Stadt, die ihnen später ein Denkmal setzen wird.

Na ja, ein Märchen, werden sie vielleicht sagen und außerdem vielleicht einwenden, dass es nicht immer klug ist, eine Idee oder Erkenntnis sofort und spontan in die Tat umzusetzen. Das stimmt. Entscheidungen von großer Tragweite müssen bedacht und überlegt werden, bevor man sie in die Tat umsetzt. Wie schwierig das sein kann, haben wir kollektiv im Jahr 2020 zur Genüge erlebt.

Am Ende kommt es aber doch darauf an was man tut, oft auch darauf, ob man es rechtzeitig tut. Manche Einsichten und guten Vorsätze, die man jahrelang in sich trägt, warten nur darauf, endlich in die Tat umgesetzt zu werden. Das wäre am Ende dieses Jahres doch ein guter Vorsatz: Dem „Gedacht“ im neuen Jahr nicht nur das „Gesagt“, sondern möglichst oft auch ein „Getan“ folgen zu lassen. Aus eigener Erfahrung weiß ich: das ist machbar. Und es tut gut. Denn manches, was man heute nicht getan hat, kann man morgen schon nicht mehr tun.

More Dagmar Woyde-Koehler

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