Thoughts & Insights

Der Metabolismus des Seins

Alles, was im Kosmos existiert, vergeht irgendwann. Aber nichts, was vergeht, hört auf zu existieren. Unser Leben auf der Erde entstand unter äußerst glücklichen Ausnahmebedingungen und wurde durch den Staub gestorbener Sterne überhaupt erst möglich. Aus dem Staub gestorbener Sterne ist unser chemisches Periodensystem hervorgegangen. Ein einzigartiger Stoffwechsel von existenzieller Bedeutung.

Alles, was im Kosmos und damit auch auf dieser Erde existiert, durchläuft einen Stoffwechsel. Diese Erkenntnis ist nicht neu, aber sie ist hilfreich. Und sie ist als Erkenntnis bei weitem noch nicht so verbreitet wie es ihrer Bedeutung entspricht. Als ich gemeinsam mit OUBEY im Jahr 2003 die Metabolismus Ausstellung im ZKM Karlsruhe (https://zkm.de/de/event/2003/05/bankett) besuchte, kam dieses Thema zum ersten Mal in meinen Sinn. Seither beschäftigt es mich immer wieder und immer wieder neu.

Alles was wir Menschen in uns aufnehmen, wird durch den Stoffwechsel unseres Körpers zerlegt und verarbeitet. Das was wir nicht verwerten können, scheiden wir am Ende aus. So geschieht es mit allem, was lebt und existiert. Menschen ernähren sich von Pflanzen und Tieren. Pflanzen und Tiere ernähren sich ihrerseits von Pflanzen, Tieren und Nährstoffen, die ihrerseits Ergebnis eines Stoffwechsels sind. Vom Staub gestorbener Sterne über die Photosynthese und den Verdunstungskreislauf bis hin zur Verdauung. Das ist der Kreislauf physischer Existenz.

Dieser Kreislauf bringt Leben und Sterben hervor und verbindet beides organisch miteinander auf eine Weise, die uns im Alltag meist nicht bewusst ist. Aufgrund unserer Evolutionsgeschichte ist das aber vermutlich allen Lebewesen unbewusst klar. Und das Unbewusste ist eine starke Kraft.

Aus Sicht des Stoffwechsels gibt es keinen Anfang und kein Ende, sondern nur einen kontinuierlichen Prozess des Werdens und Vergehens, des Lebens und Sterbens. Der Tod ist eine notwendige Bedingung für den Stoffwechsel, der seinerseits das Leben ermöglicht. Die Anerkennung der Koexistenz von Leben und Tod ist ein Schlüssel zum Verständnis der gesamten Zusammenhänge unseres Seins – wenn man sie unter rein körperlich-materiellen Gesichtspunkten betrachtet. Die körperliche Erscheinungsform einer Existenz – sei es das Blatt oder die Blüte einer Pflanze, ein Fisch, ein Vogel, ein Säugetier oder ein Mensch – ist vergänglich. Ihr Geist jedoch ist es nicht.

Denn der Geist ist frei von der Zeit. „Der Geist kann durch die Zeit nicht zerstört werden“ sagt Erwin Schrödinger. Und gemäß dem 2. Hauptsatz der Thermodynamik geht Energie im Raum nicht verloren. Geist ist Energie. Wenn Energie im Raum nicht verloren geht, existiert sie dann außerhalb jeglichen Stoffwechsels? Gibt es einen geistigen Metabolismus im Universum? Das ist eine interessante Frage. Die Antwort werden wir, wenn überhaupt, erst dann erfahren, wenn unser unvergänglicher Geist sich von unserem vergänglichen Körper getrennt hat.

 

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